Betreff
Situation der Obdachlosenhilfe und der Erlanger Bahnhofsmission – Besucher ohne Bleibe, insbesondere aus osteuropäischen Staaten. Einrichtung einer eigenen Anlaufstelle hier: zum Fraktionsantrag 035/2013 vom 21.03.2013 der Stadtratsmitglieder Frau G rille, Herr Jarosch, Frau Helm und Herr Höppel
Vorlage
50/124/2013
Aktenzeichen
V/50/VO001 T.2249
Art
Beschlussvorlage

Die Ausführungen der Verwaltung werden zur Kenntnis genommen. Der Fraktionsantrag Nr. 035/2013 vom 21.03.2013 ist damit bearbeitet.

 


Im Fraktionsantrag wird auf die in letzter Zeit zunehmende sogenannte „Armutszuwanderung“ vor allem aus südosteuropäischen Ländern hingewiesen, die auch in Erlangen spürbar sei und durch die vor allem auch örtliche Sozialeinrichtungen, wie Obdachlosenhilfeverein oder Bahnhofsmission, zunehmend in Bedrängnis geraten. Die Verwaltung wird deshalb um Berichte gebeten

Ø  Über die Situation beim Obdachlosenhilfeverein und bei der Bahnhofsmission

Ø  Über die Auslastung der Wöhrmühle

Ø  Über die Situation in anderen betroffenen Städten in Deutschland

Ø  Über die rechtliche Situation, insbesondere hinsichtlich schulpflichtiger Kinder

Ø  Über die allgemein in dieser Situation geltenden rechtlichen Regelungen und über Verbesserungsmöglichkeiten sowie

Ø  Schließlich wird die Schaffung einer eigenen Anlaufstelle für diese Personengruppe in Erlangen beantragt.

 

Das Phänomen der sogenannten Armutszuwanderung aus südosteuropäischen Ländern, vor allem aus Rumänien und Bulgarien, ist der Verwaltung seit längerem bekannt. Speziell aufgrund der Informationen aus dem Obdachlosenhilfeverein und aus der Bahnhofsmission wurde deshalb bereits im Juli 2011 von der Verwaltung hierüber eine informelle Gesprächsrunde zwischen den betroffenen Sozialeinrichtungen, der Polizei und den beteiligten städtischen Dienststellen durchgeführt.

 

Die beengten räumlichen und finanziellen Verhältnisse der örtlichen Sozialeinrichtungen einerseits und die Tatsache, dass die südosteuropäischen Besucher üblicherweise in größerer Anzahl und auch häufig relativ fordernd auftreten andererseits, führen schnell zu einer Situation in der die einheimischen Besucher und Gäste der Sozialeinrichtungen sich an den Rand gedrängt und ausgegrenzt fühlen und die Einrichtungen selbst sich am Rand ihrer Leistungsfähigkeit sehen. Sowohl Obdachlosenhilfeverein, wie auch Bahnhofsmission versuchen die Situation dadurch zu bewältigen, dass die südosteuropäischen Besucher nur in eingeschränktem Umfang Zugang zu den Einrichtungen erhalten (nämlich nur soweit, wie es die gleichzeitige Aufrechterhaltung des regulären Betriebs erlaubt). Nach Auskunft der Bahnhofsmission gilt dies übrigens für nahezu alle dieser Einrichtungen in Bayern gleichermaßen.

 

Da sich die Situation in Erlangen in den vergangenen beiden Jahren nicht nennenswert entschärft hat, wurde im April 2013 im Rathaus ein weiteres Informationsgespräch zwischen den beteiligten Behörden zu dieser Problematik durchgeführt. Das ausführliche Protokoll ist als Anlage beigefügt. Darin sind alle notwendigen Informationen zur Beurteilung der Rechtslage, zur Bewertung der Problematik und zu den örtlichen Auswirkungen in Erlangen zusammengefasst.

 

Zwischenzeitlich ist diese Problematik aber vor allem durch Veröffentlichungen kommunaler Spitzenverbände in Deutschland stärker zum Gegenstand der öffentlichen Debatte geworden. Denn in anderen Großstädten Deutschlands tritt dieses Phänomen inzwischen in weitaus gravierender und schärferer Form zutage, als in der Stadt Erlangen. Verwiesen wird hier insbesondere auf den entsprechenden Auszug aus der Stellungnahme vom 13.07.2012 der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände zum nationalen Sozialbericht 2012 (siehe Anlage). Verwiesen wird auch auf die Pressemitteilung des deutschen Städtetages vom 14.02.2013, in dem auf die rechtlichen und finanziellen Auswirkungen dieses Phänomens auf der kommunalen Ebene verwiesen wird (siehe Anlage). Hintergrund dieser Pressemitteilung war die Tatsache, dass sich die größten und am meisten betroffenen Großstädte in einer Arbeitsgruppe beim deutschen Städtetag zusammengefunden haben, um Erscheinungsformen, Auswirkungen rechtlicher und finanzieller Art, sowie die Begrenztheit kommunaler Handlungsmöglichkeiten zusammenfassend darzustellen. Diese Materialsammlung der hauptsächlich betroffenen Großstädte wurde im Januar 2013 veröffentlicht. Ein Abdruck dieser Materialsammlung (ca. 60 Seiten) würde den Rahmen einer SGA Einladung sprengen. Auf Wunsch ist die Verwaltung aber gerne bereit, den Fraktionen diese Materialsammlung in Kopie zur Verfügung zu stellen.

 

Zusammenfassend lässt sich die Problematik kurz wie folgt darstellen:

 

Ø  Gegenstand der Betrachtung ist nur ein Teil der aktuell stattfindenden Zuwanderung nach Deutschland nämlich die Einreise verarmter, zum Teil in der Heimat auch benachteiligter Personengruppen (insbesondere aus Rumänien und Bulgarien), die aufgrund der europäischen Freizügigkeit formal als Touristen nach Deutschland einreisen, sich hier ein besseres wirtschaftliches Auskommen erhoffen, sich hier auf niedrigstem Lebensstandard durchschlagen und oftmals im Straßenbild als Bettler in Erscheinung treten.

Ø  Aufgrund der europäischen Freizügigkeit ist die Einreise dieser Personen rechtlich völlig legal – auch wenn weder der Lebensunterhalt gesichert, noch der Krankenversicherungsschutz gesichert ist.

Ø  Der Zugang zu den regulären Sozialsystemen in Deutschland ist nach der geltenden Rechtslage für diesen Personenkreis verwehrt. In Notsituationen sind jedoch die Kommunen verpflichtet mit kommunalem Geld zu helfen (z.B. notwendige akute Krankenbehandlungen, Entbindungskosten). Lediglich wenn tatsächlich eine selbständige oder unselbständige Erwerbstätigkeit legal ausgeübt wird, ist ein Zugang in die regulären Sozialsysteme in Deutschland möglich. Ab 01.01.2014 wird dies noch erleichtert, wenn das Erfordernis einer Arbeitserlaubnis für Staatsbürger aus Rumänien und Bulgarien entfallen wird.

Ø  Insgesamt existieren wenig amtliche Informationen und Kenntnisse über diesen Personenkreis, da diese Zuwanderer im Regelfall als Touristen einreisen. Es existieren auch zu wenig Kenntnisse, in wieweit diese Einreise organisiert erfolgt. Auffällig ist lediglich, dass die Betroffenen bei Behördengängen (z.B. bei der Beantragung von Kindergeld) häufig von sehr fachkundigen Landsleuten begleitet werden.

Ø  Es hat den Anschein, als ob die Bundespolitik die realen Probleme, mit denen die Kommunen allein gelassen werden, nicht umfassend wahrnimmt. Äußerungen von Bundespolitikern beziehen sich meist nur auf das erfreuliche Zusammenwachsen des europäischen Arbeitsmarktes und auf eine erfreuliche Zuwanderung von qualifizierten Fachkräften.

Ø  Im Ergebnis bleibt die Situation, dass die Kommunen mit eigenen Finanzmitteln in Notfällen helfen müssen (Krankenhilfe nach SGB XII, kommunale Sondertöpfe außerhalb der regulären Sozialsysteme). Gleichzeitig haben die Erfahrungen gezeigt, dass diejenige Kommune, die versucht eine reguläre und effiziente Unterstützung zu organisieren, unverzüglich einen großen Zustrom auslöst.

Ø  In der Schaffung einer eigenen Anlaufstelle für diese Personengruppe in Erlangen sieht die Verwaltung keine sinnvolle Lösungsmöglichkeit. Zum Einen existiert im Sozialamt bereits die AWO-Migrationsberatungsstelle, bei der im letzten Jahr auch ein Anstieg der Beratungssuchenden aus Rumänien und Bulgarien feststellbar war. Die Einrichtung einer zusätzlichen Anlaufstelle speziell für den Personenkreis, der nur vorübergehend als Tourist einreist, weil hier der Lebensunterhalt leichter erwirtschaftet werden kann, wird von der Verwaltung nicht befürwortet. Dies könnte nur dann Sinn machen, wenn dort auf entsprechende Möglichkeiten der weiteren Betreuung hinsichtlich Unterkunft, Verpflegung, Erwerbstätigkeit usw. verwiesen werden könnte – die aber tatsächlich nicht existieren. Insoweit möchte die Verwaltung dem Vorschlag der Antragsteller nicht folgen.

 


Anlagen:       

1.    Auszug aus der Stellungnahme der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände vom 13.07.2012 zum nationalen Sozialbericht 2012

2.    Niederschrift über das Behördengespräch zum Problem einer Armutszuwanderung aus Rumänien und Bulgarien vom 18.04.2013

3.    Pressemitteilung des deutschen Städtetages vom 14.02.2013

4.    Fraktionsantrag Nr.035/2013 vom 21.03.2013