Betreff
Erhöhung der Mietobergrenzen für EmpfängerInnen von ALG II und Grundsicherung zum Antrag der Grünen Liste Nr. 231/2012 vom 12.12.2012
Vorlage
50/122/2013
Aktenzeichen
V/50/WM021 T. 2442
Art
Beschlussvorlage

1.    Eine erneute Überprüfung und Festsetzung der angemessenen Mieten für die Rechtskreise SGB II und SGB XII erfolgt nach Veröffentlichung des neuen Mietspiegels; eine vorzeitige Erhöhung in Anerkennung der Wohngeldobergrenzen plus 10 % erfolgt nicht.

2.    Die bisher bestehenden Regelungen gelten fort.

3.    Der Fraktionsantrag Grüne Liste Nr. 231/2012 vom 12.12.2012 ist damit bearbeitet.

 


Das Ziel des Fraktionsantrages

 

Mit Antrag vom 12.12.2012 beantragt die Stadtratsfraktion „Grüne Liste“ – gemäß dem Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 06.11.2012 - die Mietobergrenzen für EmpfängerInnen von Alg II und Grundsicherung generell und ab sofort auf 110 % der ab dem 01.01.2009 geltenden Tabellenwerte nach dem Wohngeldgesetz zu erhöhen. Dabei beruft sich die Antragstellerin auf das Sozialgericht Nürnberg, das mit Urteil vom 06.11.2012 entschieden hatte, dass die Festsetzung der Mietobergrenzen in Erlangen aus dem Jahr 2008, deren Grundlagen sowie die Art ihrer Ermittlung nicht den Ansprüchen genüge, welche die Rechtsprechung des BSG als Mindeststandard für ein schlüssiges Konzept festgelegt hat. Da die Stadt Erlangen diese Wertung in wenigen Fällen auch in weiteren Gerichtsverfahren hingenommen hat ohne in die Berufung zu gehen, beantragt die Stadtratsfraktion „Grüne Liste“ – ohne weitere Überprüfung – die generelle und sofortige Übernahme von 110 % der Wohngeldtabelle als Erlanger Mietobergrenze.

 

 

 

 

 

Die Position der Verwaltung

 

Dem Fraktionsantrag sollte aus Sicht der Verwaltung aus verschiedenen Gründen nicht gefolgt werden:

 

Ø  Die sozialgerichtliche Rechtsprechung zur Ermittlung der Angemessenheit von Unterkunftskosten ist seit Inkrafttreten des SGB II z.T. sehr widersprüchlich verlaufen und kann derzeit noch nicht als klar und gefestigt bezeichnet werden

 

Ø  Die tragende Begründung der Entscheidung des SG Nürnberg vom 6.11.2012 ist nicht schlüssig und nicht nachvollziehbar. Insbesondere ist in keiner Weise ersichtlich, warum und aufgrund welcher Datenbasis das Gericht die Werte von 110 % der Wohngeldtabelle für „richtiger“ zu erachten geruht

 

Ø  Trotz des sehr angespannten Wohnungsmarktes in Erlangen erscheint die derzeit festgelegte Mietobergrenze sachgerecht, weil die Stadt – insbesondere durch den Erwerb von Belegungsrechten – die Angebotsseite rechtzeitig und ausreichend gestärkt hat

 

Ø  Im Herbst 2013 wird der neue Erlanger Mietspiegel erscheinen. Dann besteht – bei allen Vorbehalten gegen die Eignung des Instrumentes „Mietspiegel“ zur Ermittlung von Mietobergrenzen – eine neue, verbesserte Datenlage. Die Verwaltung beabsichtigt dann, die für Bezieher von Grundsicherung (SGB II und 3. und 4. Kap. SGB XII) maßgeblichen Mietobergrenzen neu zu überprüfen

 

 

 

Die Entwicklung der Rechtsprechung und der Erlanger Beschlusslage zu Mietobergrenzen

 

Mit Inkrafttreten des SGB II zum 1.1.2005 wurde anstelle der bisher zuständigen Verwaltungsgerichte die Sozialgerichtsbarkeit für diesen Rechtsbereich verantwortlich:

 

Ø  Die bisher in ganz Deutschland praktizierte, unkomplizierte Orientierung an den Werten der Wohngeldtabelle wurde von den Sozialgerichten nicht mehr akzeptiert. Statt dessen sollten jetzt die angemessenen Unterkunftskosten nach der Produkttheorie (angemessene qm-Größe x angemessener qm-Preis) ermittelt werden

 

Ø  Urteil des BSG vom 07.11.2006 (B 7b AS 18/06 – veröffentlicht in der Fachpresse Mitte 2007): Die Ermittlung des angemessenen qm-Preises muss zwingend anhand des allein geeigneten Instrumentes „Mietspiegel“ erfolgen

 

Ø  Ende 2007: Der neue Erlanger Mietspiegel wird veröffentlicht

 

Ø  SGA-Beschluss vom 2.7.2008: Unter Verwendung der Mietspiegel-Daten ermittelte neue Mietobergrenzen für die Stadt Erlangen werden beschlossen. Weil schon damals nach Auffassung der Stadt der Mietspiegel ein, für diesen Zweck völlig ungeeignetes Instrument war, wurden zusätzlich von der Verwaltung möglichst viele, weitere Erkenntnisquellen für die Ermittlung der Mietobergrenzen genutzt

 

Ø  Urteil des BSG vom 20.08.2009 (B 14 AS 41/08 R): Es wird festgestellt, dass für die Datenerhebung im Zusammenhang mit der Erstellung eines schlüssigen Mietkonzeptes nicht nur die Daten der aktuell am Markt angebotenen Wohnungen, sondern auch von bereits vermieteten, sog Bestandswohnungen, in Betracht kommen

 

Ø  Urteil des BSG vom 20.08.2009 (B 14 AS 65/08 R): Ein Grundsicherungsträger muss sich bei der Ermittlung der angemessenen Miete nicht zwingend auf einen Mietspiegel im Sinne des BGB stützen. Ein qualifizierter Mietspiegel im Sinne von § 558c BGB kann jedoch als Grundlage eines schlüssigen Konzeptes zur Ermittlung der angemessenen Referenzmiete im Vergleichsraum geeignet sein

 

Ø  Urteil des BSG vom 22.09.2009 (B 4 AS 18/09 R): Die Ermittlung der Mietobergrenzen muss auf der Grundlage einesüberprüfbaren, schlüssigen Konzepts“ erfolgen – wie das aussehen könnte, bleibt weitestgehend im Dunkeln. Der Mietspiegel ist dafür  nicht geeignet, weil er zu wenige – und dann auch noch die falschen – Wohnungen betrachtet. Als „ultima ratio“ wird der Rückgriff auf die Wohngeldtabelle wieder für möglich erklärt

 

Ø  Ende 2009: Um den Status als „qualifizierter Mietspiegel“ nicht zu verlieren, wird der Mietspiegel aus 2007 pauschal um 1,9 % angehoben – also nicht aufgrund neu erhobener Daten, sondern pauschal gemäß den allgemeinen Mietkostensteigerungen in Deutschland

 

Ø  30.3.2010, StR-Beschluss „Belegungsrechte“: Für 598 Gewobau-Wohnungen, energetisch saniert und die Miete vertraglich gedeckelt auf die Höhe der jeweils geltenden Mietobergrenze, erhält das Sozialamt 20 Jahre lang das alleinige Vergabe- und Belegungsrecht. Damit wird das Angebot an preisgünstigem Wohnraum – völlig unabhängig vom sehr angespannten Erlanger Wohnungsmarkt – zugunsten unserer Erlanger SGB II- und SGB XII-Empfänger deutlich gestärkt.

 

Ø  15.11.2010, LSG Bayern (L 11 AS 288/09): Die Erlanger Mietobergrenzen werden erstmals obergerichtlich akzeptiert – wenn auch nur indirekt, im Rahmen eines Vergleichs

 

Ø  Urteil des SG Nürnberg vom 6.11.2012 (S 6 AS 735/08): Die Ermittlung der Mietobergrenzen in Erlangen aus dem Jahr 2008 - orientiert an den Werten des Mietspiegels, wie vom BSG seit 2006 zwingend vorgeschrieben – wird vom Gericht als rechtswidrig verworfen, weil es die, vom BSG seit 2009 verlangten Anforderungen nicht erfülle (zur inhaltlichen Kritik am Urteil des SG Nürnberg im einzelnen später mehr). Statt dessen greift das Gericht auf die Wohngeldtabelle zurück (vom BSG bis 2009 verboten!) - seltsamerweise aber nicht auf die im fraglichen Zeitraum 2008 maßgebliche Wohngeldtabelle, sondern auf die erst später (2009) erhöhte Wohngeldtabelle (einzige Begründung des Gerichts: „ … unter Würdigung der speziellen Mietsituation in Erlangen … „?!?). Darüber hinaus wird auch noch ein Sicherheitszuschlag von 10 % draufgelegt (einzige Begründung des Gerichts: „ … wird vom Gericht als angemessen angesehen … „?!?). Unter anderen Umständen müsste man hier an Voreingenommenheit oder an ein „Vorurteil“ denken.

 

Angesichts dieser, nicht immer nachvollziehbaren, aus Sicht der Verwaltung auch widersprüchlichen sozialgerichtlichen Rechtsprechung, ist es nur eine Form von Selbstschutz, wenn die Stadt Erlangen dazu bereit ist, in Einzelfällen aus unserer Sicht unrichtige Urteile hinzunehmen. Keinesfalls kann jedoch aus der Hinnahme dieses Urteils der Schluss gezogen werden, es würde als zutreffend erachtet werden.

 

 

 

 

Inhaltliche Kritik am Urteil des SG Nürnberg vom 6.11.2012 im einzelnen:

 

Nach den Ausführungen in der Urteilsbegründung genüge die Ermittlung der Erlanger Mietobergrenzen aus dem Jahre 2008 den Anforderungen an ein schlüssiges Konzept nicht, weil folgende Voraussetzungen nicht erfüllt seien:

 

Ø  Die Anforderungen an den Vergleichsraum seien nicht erfüllt

Ø  Die verwendeten Daten seien nicht repräsentativ

Ø  Die Bestandswohnungen seien nicht berücksichtigt

Ø  Die Nichtberücksichtigung der Baualtersklassen bis 1918 und ab 1996 seien nicht ausreichend begründet

Zu diesen Punkten wird seitens der Verwaltung wie folgt Stellung genommen:

 

Vergleichsraum

Die Ermittlung der angemessenen Miete aus dem Jahre 2008 bezieht sich auf das gesamte Stadtgebiet Erlangen als räumlichen Vergleichsmaßstab, da der zugrunde liegende Mietspiegel der Stadt Erlangen auf Datenerhebungen für das gesamte Stadtgebiet beruht. Dies anerkennt das Gericht zunächst auch.
Allerdings werde dieser Vergleichsraum durch die Beschränkung auf Wohnungen „einfachen Standards“ erheblich eingeschränkt.

Der Erlanger Mietspiegel 2007 enthält jedoch für die Ermittlung der Wohnqualität ein sehr differenziertes Punktesystem, mit welchem verschiedene Qualitätsmerkmale einer Unterkunft bewertet werden. Bewertungskriterien für die Qualität der Unterkunft sind neben der Lagequalität auch der energetische Zustand des Gebäudes, die Ausstattung der Wohnung mit Küche/Badezimmer, Garten/Balkon, Fußböden in den Wohnräumen, Heizung und weitere Ausstattungsmerkmale; ergänzend kann eine Bewertung durch sonstige, den Wohnwert mindernde oder erhöhende Merkmale erfolgen.
Eines dieser Bewertungskriterien ist auch die Wohnlage. Um die Lage einer Wohnung zu beurteilen, wurde im Mietspiegel das gesamte Stadtgebiet Erlangen in fünf sog. „Gebietstypen“ aufgeteilt, die mit Punktewerten zwischen minus einem und plus vier Punkten beurteilt werden können. 

Das SG Nürnberg hat in seinem Urteil vom 6.11.2012 aber offenbar übersehen, dass die Bewertung der Wohnlage nur eines von vielen Bewertungskriterien ist. Das SG Nürnberg ist vielmehr fälschlicherweise davon ausgegangen, dass „bessere“ Gebietstypen aufgrund ihrer positiven „Stadtteil-Bewertung“ bei diesem einen Kriterium völlig unberücksichtigt geblieben seien. Aufgrund dieser „Fehlinterpretation“ kommt das SG Nürnberg zu der erstaunlichen Erkenntnis, die Orientierung am Mietspiegel habe bewirkt, dass bei der Ermittlung der Mietobergrenzen nicht Daten aus dem gesamten Stadtgebiet ausgewertet worden seine, sondern dass „ … einzelne, besonders heruntergekommene und daher billige Stadtteile herausgegriffen … „ worden seien.

 

Repräsentativität der Daten

 

Weiter hält das SG Nürnberg in seinem Urteil vom 6.11.2012 die, der Ermittlung der Mietobergrenzen 2008 in Erlangen zugrunde gelegten Daten für nicht repräsentativ und deshalb die festgelegten Mietobergrenzen für rechtswidrig. Das SG Nürnberg ging – fälschlicherweise – davon aus, dass die Stadt Erlangen sich ausschließlich nur auf die Daten des Mietspiegels beschränkt habe. Der Erlanger Mietspiegel, der aber nur auf einer Stichprobe von ca. 1.400 Wohnungen beruhe, erfasse damit nur ca. 5 % des Erlanger Wohnungsbestandes und sei somit nach den Kriterien der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht repräsentativ. So sei seit dem Urteil des BSG vom 22.3.2012 (B 4 AS 16/11 R) klar, dass eine repräsentative Datenbasis erst dann gegeben sei, wenn damit mindestens 10 % des örtlichen Mietwohnungsbestandes abgebildet sind.

 

Tatsächlich war der Stadt Erlangen – im Gegensatz zur höchstrichterlichen Rechtsprechung – jedoch immer klar, dass der Mietspiegel allein kein ausreichendes, ja sogar ein höchst fragwürdiges Instrument zur Ermittlung der Mietobergrenzen sein kann (weil er zu wenige – und dann auch noch die falschen – Wohnungen betrachtet).

 

Während die BSG-Rechtsprechung im Zeitraum 2006 bis 2009 die alleinige Betrachtung eines Mietspiegels zwingend vorschrieb, hatte sich die Stadt Erlangen bei der Festsetzung der angemessenen Mieten im Jahre 2008 keineswegs nur auf die Daten des Mietspiegels beschränkt. Vielmehr wurden bereits seinerzeit zusätzlich auch alle anderen vorhandenen Datenquellen mit einbezogen: hierzu gehörten die vorhandenen Daten des sozialen Wohnungsbaus, Auskünfte der großen Wohnungsbaugesellschaften und Wohnungsbaugenossenschaften, die erhobenen Daten des in der Tagespresse angebotenen Wohnraums sowie Daten aus dem Wohnungsbericht und aus der Wohnungsvermittlungsstelle der Stadt Erlangen. Abschließend erfolgte zusätzlich noch ein Abgleich mit den Werten aus dem Wohngeldgesetz.

Bei seinerzeit knapp 35.000 Mietwohnungen in Erlangen (frei finanziert, wie öffentlich gefördert) wäre also dem (später erst geforderten) Kriterium der Rechtsprechung für die Anerkennung der Repräsentativität der Datengrundlage genüge geleistet, wenn bei der Ermittlung der Mietobergrenze die Daten von ca. 3.500 Wohnungen zugrunde gelegt worden wären (10 % des gesamten Mietwohnungsbestandes. Neben den 1.400 im Mietspiegel ausgewerteten Wohnungen hatten wir seinerzeit aber auch alle (damals) knapp 3.800 Sozialwohnungen ausgewertet. Allein mit diesen beiden Informationsquellen war eine Quote von fast 15 % erreicht. Das SG Nürnberg nimmt diesjedoch nicht zur Kenntnis, sieht offenbar nur auf den Mietspiegel – und erklärt in der Folge unsere Ermittlung der Mietobergrenzen für rechtsfehlerhaft, weil keine genügend repräsentativen Daten verwendet worden seien. Eine weitere Kommentierung dieser „Sachverhaltsaufklärung“ durch das SG Nürnberg erübrigt sich.

 

Bestandswohnungen

 

Des weiteren wird im Urteil des SG Nürnberg vom 06.11.2012 festgestellt, dass für die Datenerhebung im Zusammenhang mit der Erstellung eines schlüssigen Mietkonzeptes nicht nur die Daten der aktuell am Markt angebotenen Wohnungen, sondern auch die der bereits vermieteten, sog Bestandswohnungen, in Betracht kommen. (vgl. BSG vom 20.08.2009 – B 14 AS 41/08 R).

 

Genau dieses Kriterium hatte die Stadt Erlangen bei der seinerzeit vorgenommenen Ermittlung der Mietobergrenzen aber erfüllt, indem wir nicht nur die Daten des Mietspiegels und die Wohnungsangebote aus der Tagespresse, sondern auch z. B. die Auskünfte der großen Wohnungsbaugesellschaften und Wohnungsbaugenossenschaften über ihren gesamten Wohnungsbestand in die Auswertung einbezogen hatten.

 

 

 

Baualtersklassen bis 1918 und ab 1996

 

Schließlich wurde im Urteil des SG Nürnberg vom 6.11.2012 beanstandet, dass bei der Auswertung des Mietspiegels die Wohnungen der Baualtersklassen bis 1918 und ab 1996 ausgenommen wurden, ohne hierfür eine ausreichend detaillierte Begründung gegeben zu haben (insbesondere sei aus der Sicht des Gerichts keine logische Begründung dafür erkennbar, warum die unterschiedliche Bewertung an den Jahreszahlen 1918 und 1996 festgemacht wurde).

 

Tatsächlich hat es aber nachvollziehbare Gründe, warum im vorhandenen Datenmaterial von Wohnungswirtschaft und Statistik deutschlandweit nach Baualtersklassen unterschieden wird und dabei die älteste Kategorie Gebäude bis 1918, die jüngste Kategorie jedoch die modernsten Gebäude mit einem Fertigstellungszeitpunkt ab 1996 umfasst. Nach Auffassung der Verwaltung kann es nicht Aufgabe des Sozialamtes sein, dem Gericht gegenüber zu begründen, warum Wohnungswirtschaft und Statistik deutschlandweit diese Kategorien von Baualtersklassen so gewählt haben (es war auch nicht von vorneherein vorhersehbar, dass das Gericht vom Sozialamt eine Erklärung dafür erwartet, dass Wohnungsbedarf sowie Art und Umfang des Wohnungsbaus sich vor 1918 und nach 1918 erkennbar unterschieden haben und deshalb in den Wohnungsstatistiken eine Unterscheidung in 2 Baualtersklassen sich eingebürgert hat). Auch die Definition der Baualtersklasse ab 1996 für die Gruppe der modernsten Wohngebäude mit den hochwertigsten und besten Standards ist keine Erfindung des Erlanger Sozialamtes, sondern bundesweiter Standard in Wohnungswirtschaft und Wohnungsstatistik.

 

Grundsätzlich bestätigt das SG Nürnberg aber die Vorgehensweise als zulässig, bei der Ermittlung der Mietobergrenzen solche Baualtersklassen generell außen vor zu lassen, die überwiegend und auffallend deutlich „von den Nachbarwerten“ abweichen. Altbauten und moderne Neubauten sind im Erlanger Wohnungsmarkt aber nun einmal überwiegend dem oberen Marktsegment zuzuordnen, das nicht preisbestimmend sein soll für die Festlegung der steuerfinanzierten Mietobergrenzen von Grundsicherungsempfängern. Dies sieht das SG Nürnberg jedoch als nicht ausreichend begründet an, weil „ … es im Übrigen in Erlangen auch vor 1918 erbaute Häuser geben dürfte, die nicht früher von reichen Patrizierfamilien bewohnt wurden und dementsprechend evtl. keinen gehobenen Standard aufweisen … „

 

Darüber hinaus hätte das Sozialamt – so das SG Nürnberg – erst feststellen müssen, wie groß der Marktanteil dieser Wohnungen (vor 1918 und nach 1996) am Gesamtwohnungsmarkt ist, ob also die verbleibenden Wohnungen überhaupt eine ausreichende und repräsentative Datengrundlage bilden können. Dies gelte umso mehr, als der Erlanger Mietspiegel 2007 auf einer repräsentativen Stichprobe von nur 1400 Wohnungen beruht.
Nach Auskunft des Amtes Statistik und Stadtforschung gab es im Jahre 2007 (Zeitraum, in welchem die Erhebungen für den Erlanger Mietspiegel stattfanden) in Erlangen 59.097 Wohnungen. Über die Nutzung als Mietwohnung oder selbst genutzte Eigentumswohnung können hierbei keine Aussagen getroffen werden. Für die Erhebung zum Mietspiegel 2007, bei der nur Mieterhaushalte befragt werden sollten, wurde durch den Abgleich mit der Hausgebührendatei der selbstnutzenden Eigentümer eine Stichprobengrundlage ermittelt. Danach gab es in Erlangen Anfang 2007 insgesamt 31.177 Haushalte, die zur Miete in einer freifinanzierten Wohnung wohnten. Setzt man Haushalte und Wohnungen gleich, so gab es in Erlangen also 31.177 freifinanzierte Mietwohnungen. Dazu müssen noch 3.556 Sozialmietwohnungen (Stand 2007) addiert werden. D. h. von den insgesamt 34.733 Wohnungen flossen nur ca 1.400 in den Erlanger Mietspiegel ein.
Die Frage, welchen prozentualen Anteil am gesamten Wohnungsmarkt in Erlangen die Wohnungen der Baujahre bis 1918 bzw. ab 1996 einnehmen, beantwortet der Sozialbericht 2009 (Seite 29 des Berichts) wie folgt:
Gut neun Prozent der Erlanger wohnen in Gebäuden, die bis zum Jahre 1918 errichtet wurden. Diese finden sich überwiegend in der Innenstadt, aber auch noch inmitten der Ortsteile, die bis heute eingemeindet wurden. Rund sieben Prozent der Erlanger wohnen hingegen in den neuen Gebäuden, die ab dem Jahre 2000 errichtet wurden, zum größten Teil in den Neubaugebieten im Röthelheimpark und in Büchenbach West.
Eben diese Prozentsätze ermitteln sich – wie Herr Panknin vom Statistikamt auf konkrete Nachfrage bestätigte - auch für die Tabellen im Mietspiegel 2007; nach Auskunft von Herrn Panknin betrug der Anteil der Wohnungen ab 1996 und später, der in die Auswertungen einfloss, 7, 23 %,
Somit wurde ein Anteil in Höhe von 84 % des Wohnungsbestandes bei der Ermittlung der Erlanger angemessenen Mieten berücksichtigt; dieser Prozentsatz stellt die Repräsentativität nicht in Frage, da im Ergebnis mehr als 5/6 des Wohnungsbestandes in die Ermittlung der angemessenen Mieten einfloss.

 

Ergebnis

 

Die im Urteil vom des Sozialgerichts Nürnberg vom 06.11.2012 aufgeführten Mängel bei der Ermittlung der Mietobergrenzen in Erlangen aus dem Jahr 2008 (bestätigt durch Stadtratsbeschluss vom 31.3.2011) können – wie den vorstehenden Ausführungen entnommen werden kann – so nicht nachvollzogen werden. Die Verwaltung sieht deshalb keinerlei Veranlassung – so wie von der Antragstellerin offenbar gewünscht – dies gegen die eigene Überzeugung ab sofort als ständige Praxis zu übernehmen.

Es erscheint vielmehr sinnvoll, mit einer abschließenden Prüfung der Angemessenheitsgrenzen abzuwarten bis der neue Mietspiegel im Herbst 2013 veröffentlicht wird. Die Daten im Mietspiegel allein sind sicher keine geeignete Datenbasis für die Ermittlung der angemessenen Mieten und können nur in der Zusammenschau mit anderen Daten verwendet werden. Daneben werden jedoch auch die kalten Nebenkosten, die Bestandteil der angemessenen Miete sind, neu ermittelt und zwingend in eine evtl. Neufestsetzung einbezogen.

 

 

 

 

Anhang 1:

 

Vergleich zwischen derzeitiger Mietobergrenze und Wohngeldtabelle

 

1.                     

2.                    Derzeit geltende Mietobergrenze

3.                    Wohngeldtabelle

4.                    Wohngeldtabelle + 10%

5.                     

6.                     

7.                    1-Pers-HH

8.                    344 €

9.                    330 €

10.                 363 €

11.                  

12.                  

13.                 2-Pers-HH

14.                 411 €

15.                 402 €

16.                 442,20 €

17.                  

18.                  

19.                 3-Pers-HH

20.                 469 €

21.                 479 €

22.                 526,90 €

23.                  

24.                  

25.                 4-Pers-HH

26.                 582 €

27.                 556 €

28.                 611,60 €

29.                  

30.                  

31.                 5-Pers-HH

32.                 678 €

33.                 638 €

34.                 701,80 €

35.                  

36.                  

37.                 6-Pers-HH

38.                 773 €

39.                 715 €

40.                 786,50 €

41.                  

42.                  

43.                 jede weitere Person

44.                   96 €

45.                   77 €

46.                   84,70 €

47.                  

48.                  

 

 

Anhang 2:

 

Vergleich der derzeitigen Mietobergrenzen mit den tatsächlichen Miethöhen von Grundsicherungsempfängern in Erlangen (Stand: 02/2012)

 

 

Grundsätzlich muss die Mietobergrenze so gewählt sein, dass es den Hilfebedürftigen möglich ist, vor Ort tatsächlich eine angemessene Wohnung anmieten zu können. D. h. es ist auch die Angebotsseite zu beleuchten:  

Das Wissen um den angespannten Erlanger Wohnungsmarkt war für das Sozialamt der Stadt Erlangen die Motivation den Vertrag über den Erwerb von 600 Belegrechtswohnungen zu initiieren und im März 2010 zum Abschluss zu bringen.

Die GeWoBau verpflichtete sich in diesem Vertrag die betreffenden Wohnungen nach zeitgemäßem energetischen Standard zu sanieren und über die Stadt Erlangen an Leistungsempfänger nach dem SGB II bzw. dem SGB XII zu vergeben. Der Mietpreis liegt dabei – vertraglich auf 20 Jahre gesichert - zwingend innerhalb der jeweils geltenden Mietobergrenze der Stadt Erlangen.

Auf diese Weise wurde das Wohnraumangebot im „angemessenen Sektor“ stabilisiert und so ein entscheidender Beitrag geleistet, dass es Leistungsempfängern nach dem SGB II und SGB XII gelingt, in Erlangen tatsächlich angemessenen Wohnraum anmieten zu können.

 

Zur Überprüfung dieser Zielsetzung wurde Anfang des Jahres 2012 der gesamte Datenbestand des Jobcenters Erlangen (alle SGB II-Bezieher) im Hinblick auf eben diese Fragestellung ausgewertet. Folgende Feststellungen können getroffen werden:

 

2.348 Fälle

Alle Bedarfsgemeinschaften (Haushalte) im SGB II-Bezug, Stand 02/2012

 

1.734 Fälle

Miethöhe liegt innerhalb der geltenden Mietobergrenze

   303 Fälle

Miethöhe liegt innerhalb der geltenden Mietobergrenze + Schongrenze von 10 % lt. SGA-Beschluss

     29 Fälle

waren im Zeitpunkt der Überprüfung (Frühsommer 2012) bereits wieder aus dem Bezug ausgeschieden

   101 Fälle

Miethöhe oberhalb der Grenze – weil besondere Gründe vorliegen, wird jedoch die tatsächliche Miethöhe anerkannt und übernommen:

-       3 Fälle: die Kaltmiete liegt innerhalb des Betrages Höchstmiete + 20% der Höchstmiete, die Anerkennung erfolgt in Absprache mit der Abteilungsleitung

-       6 Fälle: es liegt eine Schwerbehinderung plus Merkzeichen „G“ vor, so dass die nächsthöhere Mietstufe anerkannt werden kann

-       9 Fälle: es liegt eine energiesanierte Wohnung vor, die Höchstmieten liegen entsprechend höher

-       26 Fälle: die Haushaltsgemeinschaft besteht aus mehr Personen als die Bedarfsgemeinschaft

-       6 Fälle: Personen sind nur vorübergehend abwesend und kehren in den Haushalt zurück, eine Umzugsaufforderung ist nicht zu verlangen

-       8 Fälle: Besuchsrechte vor allem wegen der Kinder werden anerkannt, Miettoleranzen sind zu gewähren

-       9 Fälle: ein Wohnungsantrag wurde gestellt, eine Übernahme kann noch erfolgen

-       34 Fälle: es liegen sonstige Gründe (wegen schwerer Krankheiten usw.) vor, so dass ein Umzug derzeit nicht zugemutet werden kann oder es kann eine EOF-Förderung erfolgen, so dass die tatsächliche Miete um die EOF-Förderung gekürzt werden kann

 

    181 Fälle

Miethöhe liegt oberhalb der Mietobergrenze – Gründe für eine Anerkennung der höheren, tatsächlichen Miete liegen nicht vor

-       124 Fälle: die Aufforderung zur Senkung der Mietkostenbelastung ist bereits ausgesprochen (entspricht 5,3 % aller Fälle)

-       57 Fälle: die Aufforderung zur Senkung der Mietkostenbelastung wird derzeit geprüft (entspricht 2,4 % aller Fälle)

 

Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass derzeit lediglich in 5,3 % (124 Fälle) des kompletten Fallbestandes nicht die tatsächliche Miete anerkannt wird und 2,4 % der Fälle dies derzeit noch geprüft wird.
Dies lässt den Schluss zu, dass bei einer Betrachtung der aktuellen Bestandsmieten aller SGB II-Empfänger die Höhe der festgesetzten angemessenen Mieten bestätigt wird. Insbesondere der Umstand, dass lediglich in 5,3 % aller Bedarfsgemeinschaften nur die niedrigere, angemessene Miete vom Jobcenter übernommen wird und nicht die übersteigende, tatsächliche Miete, zeigt dass die ermittelten Mietobergrenzen auch im angespannten Erlanger Wohnungsmarkt es nach wie vor ermöglichen, dass Grundsicherungsempfänger angemessenen Wohnraum finden können.

 


Anlagen:        Fraktionsantrag Grüne Liste Nr. 231/2012 vom 12.12.2012