Betreff
Probleme im Rahmen der Bewilligung von ALGII und Grundsicherung hier: Fraktionsantrag Grüne Liste Nr. 24/2013 vom 26.02.2013
Vorlage
50/118/2013
Aktenzeichen
50/VOA -2249
Art
Beschlussvorlage

Die Ausführungen der Verwaltung werden zur Kenntnis genommen. Der Fraktionsantrag Grüne Liste Nr. 24/2013 vom 26.02.2013 ist damit bearbeitet.

 


Im Fraktionsantrag der Grünen Liste wird die Überzeugung wieder gegeben, dass „bekannterweise relativ viele Bescheide des Jobcenters der Stadt Erlangen angefochten“ werden, eine „nicht unbeträchtliche Anzahl“ davon auch erfolgreich. Dadurch werde die Stadt Erlangen mit erheblichen Kostenfolgen belastet. Deshalb wird die Verwaltung um Auskunft in einer HFPA – Sitzung gebeten

 

Ø  welche Kosten in den Jahren 2011 und 2012 von der Stadt im Rahmen von Widerspruchsverfahren gegen Bescheide des Jobcenters bezahlt werden mussten

Ø  welche Rechtsanwaltsgebühren und Gerichtskosten in den Jahren 2011 und 2012 von der Stadt im Rahmen von Klageverfahren gegen Bescheide des Jobcenters bezahlt werden mussten.

 

 

1.    Zu Anzahl und Erfolg der eingelegten Widersprüche gegen Bescheide des Jobcenters Erlangen

 

Im Rahmen der jährlichen zusammenfassenden Berichterstattung über die SGBII Umsetzung in Erlangen im Jahr 2012 wurde in der SGA – Sitzung vom 05.03.2013 von der Verwaltung auch umfassend Bericht erstattet über die Anzahl und die Erfolgsquoten der eingelegten Rechtsbehelfe im Jahr 2012. Eine Berichterstattung für das abgelaufene Jahr 2011 erfolgte gleichermaßen in der SGA - Sitzung am 05.03.2012.

 

Für die eingelegten Widersprüche (lt. Statistik der städtischen Widerspruchsstelle) ergibt die zusammengefasste Übersicht über die Jahre 2010 bis 2012 ergibt folgendes Bild:

 

2010:   Widersprüche             347

2011:   Widersprüche             266      davon in 2011 entschieden    254

2012:   Widersprüche             249      davon in 2012 entschieden    234

 

Bei den Widersprüchen entwickelte sich die Zahl der Abhilfen oder Teilabhilfen (also Widerspruchsentscheidung zugunsten der Bürger), bzw. der Zurückweisungen, Rücknahmen oder Erledigungen wie folgt:

 

2010:   Abhilfe            62        Teilabhilfe       26        Zurückweisung/Erledig.         183

2011:   Abhilfe            52        Teilabhilfe       12        Zurückweisung/Erledig.         190

2012:   Abhilfe            39        Teilabhilfe       19        Zurückweisung/Erledig.         176

 

 

 

2.      Wie sind die Zahlen und Erfolgsquoten bei gerichtlichen Rechtsmitteln gegen SGBII – Bescheide in Erlangen?

 

Hinsichtlich der gerichtlichen SGBII – Verfahren werden aus der Prozessstatistik des Rechtsamtes für die Jahre 2011 und 2012 folgende Zahlen mitgeteilt (darin sind nicht nur erstinstanzliche Klagen beim Sozialgericht, sondern auch gerichtliche Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes, Verfahren aus höheren Instanzen, sowie jahresübergreifende Kostenabrechnungsverfahren enthalten).

 

Im Jahr 2011:

Bestand: insgesamt 136 Gerichtsverfahren

davon 75 Gerichtsverfahren beendet

davon in 27 Verfahren ganz oder teilweise unterlegen

 

2012:

Bestand: 132 Gerichtsverfahren

davon 83 Verfahren beendet

davon in 24 Verfahren ganz oder teilweise unterlegen

 

Es kann also festgestellt werden, dass bei den gerichtlichen SGBII – Verfahren ein vollständiges oder teilweises Unterliegen der Stadt nur in 36% (2011) bis 29% (2012)der Fälle zu verzeichnen war. Ein überregionaler Vergleich hierzu ist erst seit kurzem möglich. Die Bundesagentur veröffentlicht erst seit November 2012 monatliche Stichtagsbetrachtungen über Anzahl und Ergebnis eingebrachter Rechtsmittel gegen SGBII – Bescheide. Nach der neuesten vorliegenden BA – Statistik vom März 2013 (Stichtag: 15.03.2013) wird als bundesweiter Durchschnittswert eine Erfolgsquote von 41,6% angegeben, für den Abschluss von gerichtlichen Verfahren bei denen die Jobcenter ganz oder teilweise unterlegen sind. Die Erfolgsquote von Klägerinnen und Klägern in Erlangen kann dazu im Vergleich also keineswegs als überdurchschnittlich bezeichnet werden, wie die Antragstellerin vermutet.

 

 

 

3.      Welche Verfahrens-, Anwalts- oder Gerichtskosten waren dabei von der Stadt zu zahlen?

 

Die gerichtliche Vertretung der Stadt Erlangen vor dem Sozialgericht bei Klagen gegen Bescheide des Jobcenters obliegt dem städtischen Rechtsamt. Gerichtskosten fallen bei SGBII – Klagen grundsätzlich nicht an, wenn und soweit eine Klage erfolgreich ist, sind jedoch entstandene Anwaltskosten zu bezahlen. In gleicher Weise können im Fall von Widersprüchen gegen SGBII – Bescheide des Jobcenters (über die das Jobcenter selbst durch seine Widerspruchsstelle entscheidet) Anwaltskosten zu lasten der Stadt anfallen, wenn und soweit der Widerspruch erfolgreich ist und der Widerspruchsführer anwaltschaftlich vertreten ist. Die Abwicklung und Auszahlung solcher Anwaltskosten erfolgt in Erlangen auch bei Widerspruchsverfahren durch das städtische Rechtsamt, da dort die fachlichen Kenntnisse zum Anwaltsgebührenrecht vorhanden sind. Infolge dessen wurden die angefragten Informationen über ausgezahlte Verfahrens-, Anwalts- und Gerichtskosten gegen Entscheidungen des Jobcenters aus den Jahren 2011 und 2012 komplett beim städtischen Rechtsamt abgefragt.

 

Dabei ergab sich folgendes Bild:

 

Widerspruchsverfahren:

Im Jahr 2011 wurden insgesamt 4.837,75 € an Anwaltskosten ausbezahlt, die bei insgesamt 18 Widerspruchsverfahren anfielen, in denen die Stadt ganz oder teilweise verloren hatte.

Im Jahr 2012 wurden insgesamt 5.566,47 € an Anwaltskosten ausbezahlt, die in 19 Widerspruchsverfahren angefallen waren, bei denen die Stadt ganz oder teilweise verloren hatte.

 

Klagen zum Sozialgericht:

Gerichtskosten vor dem Sozialgericht fallen bei Klagen gegen SGBII – Bescheide grundsätzlich nicht an.

Im Jahr 2011 sind an Anwaltskosten insgesamt 16.658,96 € von der Stadt erstattet worden, die in insgesamt 30 Gerichtsverfahren entstanden waren, bei denen die Stadt ganz oder teilweise unterlegen ist.

Im Jahr 2012 waren an Anwaltsgebühren insgesamt 11.451,61 € zu erstatten, die in insgesamt 23 Gerichtsverfahren entstanden sind, bei denen die Stadt ganz oder teilweise unterlegen ist.

 

Aus diesen Zahlen im Vergleich mit der oben unter 1. und 2. abgedruckten Zahlen ergibt sich, dass die Betroffenen bei der Einlegung von Rechtsmitteln gegen SGBII – Bescheide in sehr unterschiedlichem Ausmaß sich der Hilfe eines Rechtsanwaltes bedienen. So sind z. B. im Jahr 2012 nur bei 19 von 58 Widerspruchsverfahren, bei denen die Stadt ganz oder teilweise unterlegen ist, Anwaltsgebühren zu erstatten gewesen. Im Fall von sozialgerichtlichen Klagen gegen SGB II – Bescheide dagegen waren bei immerhin 23 von 24 Klageverfahren, bei denen die Stadt ganz oder teilweise unterlegen ist, Anwaltskosten zu erstatten.

 

Bei der Bewertung, ob die geschilderte Kostenbelastung des städtischen Haushalts mit Anwaltsgebühren in SGBII – Verfahren als besonders hoch oder als vergleichsweise niedrig angesehen werden kann, ist darauf zu verweisen, das die gebührenrechtlichen Tatbestände und Tarife von der Stadt nicht beeinflusst werden können. Als Bewertungsmaßstab sollte vielmehr eher die Frage herangezogen werden, ob in Erlangen vergleichsweise viele Rechtsmittel in SGBII – Angelegenheiten eingelegt werden. Näheres dazu siehe weiter unten.

 

Schließlich soll nicht unerwähnt bleiben, dass die Anwaltskosten, die im Rahmen von ganz oder teilweise verlorenen Widerspruchsverfahren oder Gerichtsverfahren zu erstatten sind, in vollem Umfang als Verwaltungskosten bei der Umsetzung des SGB II anzusehen sind. Verwaltungskosten bei der Umsetzung des SGB II (da es zum überwiegenden Teil Bundesaufgaben enthält, zum kleineren Teil aber auch kommunale Aufgaben) werden jedoch grundsätzlich zu 84,8% aus dem Bundeshaushalt erstattet. Es wäre deshalb wohl unzutreffend, hier von einer nennenswerten Belastung des städtischen Haushalts zu sprechen.

 

 

 

4.      Werden in Erlangen häufiger als anderswo Rechtsmittel gegen SGB II – Bescheide eingelegt?

 

Aufgrund der noch sehr jungen BA – Berichterstattung über Anzahl und Erfolg von eingelegten SGB II – Rechtsmitteln (BA – Statistik erst seit November 2012) kann ein aussagekräftiger Vergleich nur sehr eingeschränkt erfolgen. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil die BA – Statistik nur eine monatliche Stichtagsbetrachtung widergibt, während bei unseren internen Statistiken in Erlangen grundsätzlich immer die Zahlen eines gesamten Jahres aufsummiert werden.

 

Nach der jüngsten einschlägigen BA – Statistik vom März 2013 betrug die Anzahl der, zum Stichtag 15.03.2013 anhängigen Widerspruchsverfahren 188.078 bundesweit – dies entspricht einem Wert von 5,6 % verglichen mit der Anzahl der bundesweit zum gleichen Zeitpunkt im Bezug befindlichen Bedarfsgemeinschaften. Bei den gerichtlichen Verfahren weist die jüngste BA – Statistik bundesweit eine Zahl von 199.507 Gerichtsverfahren zum Stichtag 15.03.2013 aus – dies entspricht einem Anteil von 6,0 % verglichen mit der Anzahl der bundesweiten Bedarfsgemeinschaften. In der gleichen Statistik werden für das Jobcenter der Stadt Erlangen bei den laufenden Widerspruchsverfahren der Wert von 0,5 % (13) und bei den gerichtlichen Verfahren der Wert von     2,6 % (63) ausgewiesen.

 

Man könnte auf den ersten Blick Zweifel daran bekommen, ob die geringe Anzahl von Widersprüchen in Erlangen glaubhaft ist oder ob hier wegen möglicher Datenerhebungs- und Datenübermittlungsproblemen noch keine validen Daten verarbeitet sind. Angesichts der hohen und zeitnahen Erledigungsquote von Widersprüchen in der Widerspruchsstelle des Erlanger Jobcenters (in 2012 sind 249 Widersprüche eingegangen und im gleichen Jahr 234 Widersprüche beschieden worden) muss jedenfalls eine Stichtagsbetrachtung, wie sie in der BA - Statistik angestellt wird (wieviele Widerspruchsverfahren sind aktuell am Stichtag anhängig?) zwangsläufig zu sehr niedrigen Zahlen kommen. Jedenfalls sprechen auch diese Zahlen eindeutig dafür, dass die Anzahl der in der Stadt Erlangen eingelegten SGB II – Rechtsmittel – entgegen der Auffassung der Antragstellerin – außergewöhnlich niedrig ist.

 

 

 

5.      Übersicht über die inhaltlichen Schwerpunkte der eingelegten SGB II – Rechtsmittel

 

Aus der, seit November 2012 neu veröffentlichten BA –Statistik über SGB II – Rechtsmittel sind auch Informationen erhältlich, auf welche inhaltlichen Schwerpunkte sich die eingelegten Widersprüche und Klagen gegen SGB II – Bescheide richten. Die wichtigsten inhaltlichen Schwerpunkte, auf die die aktuell eingelegten Widersprüche und Klagen in SGB II - Angelegenheiten bundesweit und bayernweit abzielen, wird deshalb in der nachfolgenden Tabelle als zusätzliche Information angefügt:

 

 

Widerspruch Bund

Widerspruch Bayern

Klagen Bund

Klagen Bayern

Zugangsvoraussetzungen

5,9 %

7,7 %

5,5 %

7,7 %

Einkommen / Vermögen

17,1 %

19,8 %

13,0 %

16,6 %

Eingliederung in Arbeit

2,2 %

2,0 %

2,6 %

3,2 %

Regelleistung

5,4 %

3,1 %

8,8 %

6,4 %

KdU

16,4 %

12,3 %

15,9 %

13,9 %

Einmalige Leistungen

3,7 %

2,7 %

3,2 %

3,1 %

Sanktionen

5,4 %

8,9 %

4,3 %

8,6 %

Aufhebung / Rückforderung

22,0 %

20,7 %

17,1 %

15,4 %

 

 


Anlagen:        Fraktionsantrag Grüne Liste Nr. 24/2013 vom 26.02.2013