Betreff
Sicherheitskonzept Erlanger Bergkirchweih 2013
Vorlage
II/212/2013
Aktenzeichen
II
Art
Mitteilung zur Kenntnis

Der Bericht der Verwaltung dient zur Kenntnis.


Der letzte Sachstandsbericht wurde am 18. Mai 2011 als Mitteilung zur Kenntnis in den Haupt-, Finanz- und Personalausschuss eingebracht. Inzwischen wurde das Sicherheitskonzept für die Erlanger Bergkirchweih 2013 mit der Polizei, den Rettungsdiensten, der Erlanger Stadtwerke AG und den Fachdienststellen abgestimmt und fertig gestellt. Der redaktionelle Teil des Konzeptes umfasst 66 Seiten, die durch 32 Anlagen ergänzt werden. Die wesentlichen Inhalte des Sicherheitskonzeptes sind der gekürzten Fassung (29 Seiten ohne Anlagen) zu entnehmen, die als
Anlage beigefügt ist.

 

1. Projektauftrag

Die Stadt Erlangen ist Veranstalterin der Erlanger Bergkirchweih. Als Großveranstaltung mit über einer Million Besuchern gilt es, die Sicherheitsvorkehrungen jährlich zu überprüfen und durch geeignete Maßnahmen die Sicherheit der Festbesucher weiter zu optimieren. Die tragischen Ereignisse bei der Loveparade in Duisburg haben in der Öffentlichkeit eine breite Diskussion um das Thema Sicherheit bei Großveranstaltungen ausgelöst. Vor diesem Hintergrund wurde beschlossen, eine Projektgruppe einzurichten, um die aktuelle Sicherheitssituation auf der Erlanger Bergkirchweih zu überprüfen und den Entwurf eines umfassenden, auch präventiven Sicherheitskonzeptes zu erarbeiten. Die Arbeitsgruppe Haushaltskonsolidierung und Verwaltungsreform (AGHV) hat in ihrer Sitzung am 24.09.2010 einen entsprechenden Projektauftrag erteilt.

 

2. Bestandsaufnahme

Die gute Zusammenarbeit zwischen Stadtverwaltung, Polizei und Rettungsdiensten, auch im Rahmen von Festlegungen der regelmäßig einberufenen Sicherheitsrunden im Vorfeld, haben mit dazu beigetragen, dass die Bergkirchweih bisher „friedlich“ und „ohne größere Schadensfälle“ verlaufen ist. Beim Eintritt eines „Großschadens“ würde das bereits existierende Notfallkonzept zur „Bewältigung größerer Schadensereignisse auf der Erlanger Bergkirchweih“ des Amtes für Brand- und Katastrophenschutz greifen. Darüber hinaus hat die Stadt Erlangen in den letzten Jahren sukzessive weitere - teils unpopuläre - Maßnahmen ergriffen, um die Sicherheit auf dem Festgelände zu verbessern. Beispielhaft sei die Wegnahme der Buden entlang des Altstädter Schießhauses erwähnt. Eine hundertprozentige Sicherheit wird es dennoch bei keiner Großveranstaltung geben. Ziel muss es aber sein, „unseren Berg“ durch geeignete Maßnahmen schrittweise noch sicherer zu machen, dabei aber auch den besonderen Reiz und das Flair dieses weit über die Region hinaus bekannten und für Erlangen bedeutenden Volksfestes zu erhalten.

 

3. Vorgehensweise und Einzelmaßnahmen

Unter Federführung von Ref. II hat sich die Projektgruppe „Sicherheitskonzept Erlanger Bergkirchweih“ u. a. unter Einbeziehung von Polizei und Rettungsdiensten in fünf Sitzungen mit Sicherheitsthemen befasst. Daneben wurde intern eine Unter-Projektgruppe gebildet, die vierzehn Mal einberufen wurde und die für die inhaltliche Detailabstimmung des Sicherheitskonzeptes verantwortlich zeichnet. Darüber hinaus wurde auch auf externen Sachverstand zurückgegriffen (siehe Ausführungen unter Ziffer 4).

Bei der Festlegung und Umsetzung von Einzelmaßnahmen, die im Einzelnen dem Abschnitt „B. Maßnahmenteil“ der Anlage zu entnehmen sind, flossen auch Erkenntnisse ein, die sich im Rückblick auf die letzte Bergkirchweih ergeben haben. Es ist festzustellen, dass das Fest einen immer höheren Publikumszuspruch genießt und es dadurch insbesondere im Kellerbereich in den Abendstunden der Festwochenenden punktuell und temporär zu Überfüllungssituationen mit sehr hohen Personendichten kommt. Als Extrembeispiel wird von allen Beteiligten einschließlich der Festwirte der Besucheransturm am zweiten Bergkirchweih-Samstag letzten Jahres erwähnt. Dabei mussten sogar zeitweise Teilbereiche vom Sanitätsdienst aufgegeben werden. Vor diesem Hintergrund ist es notwendig, sowohl präventive Maßnahmen als auch Interventionsmaßnahmen bei Überfüllung zu ergreifen. Bauliche Maßnahmen sollen im Rahmen eines mehrjährigen Stufenplanes nach Dringlichkeit umgesetzt werden.

 

4. Externe Beratung

4.1 Grundsätzliches

Bei der Beurteilung von einigen „Problembereichen“ (z.B. Stau vor den Musikkapellen) wurde deutlich, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen bzw. möglichen Lösungsansätze kontrovers diskutiert wurden. Vor diesem Hintergrund wurde übereinstimmend die Meinung vertreten, dass eine externe Beratung notwendig und hilfreich wäre. Auf Erfahrungen anderer Städte konnte nicht zurückgegriffen werden, da die Thematik erst seit den Ereignissen in Duisburg zunehmend in den Mittelpunkt der Betrachtung gerückt wird. Nach einer umfangreichen Recherche durch die Projektleitung wurden zwei Beratungsangebote genutzt.

 

4.2 Einbindung in das EVA-Projekt (=EVAkuierung)

Viel mehr als Erfahrungswerte und Schätzungen liegen der Risikoabschätzung bei Großveranstaltungen kaum zugrunde. Probleme bereitet z. B. die Frage nach der Berechnung der Kapazitäten von Zuwegen, Flucht- und Rettungswegen. Für eine realitätsnahe Simulation werden zunächst echte Bewegungsdaten und Laufwege von Menschen benötigt. An diesem Punkt setzt u. a. das vom Bundesforschungsministerium finanzierte Projekt EVA an, in dessen Rahmen für Großveranstaltungen abgestimmte Konzepte zur Planung, Bewertung, Evakuierung und Rettung interdisziplinär entwickelt und mittels Simulation validiert werden sollen. Dazu werden Erfahrungsberichte und zusätzliche Dokumentationen (Video, Foto) über das Verhalten von Personen genutzt, um die Simulationsmodelle den realen Verhaltensweisen anzupassen.

Herr Dr. Oberhagemann von der Vereinigung zur Förderung des vorbeugenden Brandschutzes (vfdb) und Koordinator des bis zum 28. Februar 2012 gelaufenen Forschungsprojektes hat u.a. das Projekt im April 2011 auf Einladung der Projektleitung präsentiert und eine mögliche Zusammenarbeit angeboten. Der Vortrag und die anschließende Diskussion stießen bei den Projektgruppenmitgliedern auf sehr große Resonanz und Zustimmung, so dass entschieden wurde, das Angebot von Herrn Dr. Oberhagemann anzunehmen. Dabei wurden bereits 2011 mit Videoaufnahmen insbesondere die „Problem“- bzw. Staubereiche im Kellerbereich in den Abendstunden dokumentiert. Die Aufnahmen wurden am ersten Bergfreitag bzw. am zweiten Bergwochenende erstellt. Aufgrund der festgestellten Personendichten und Besucherströme hat Herr Dr. Oberhagemann nach seiner Auswertung Vorschläge zur Optimierung angestoßen. So wurde u.a. die Pausenregelung bei den Musikkapellen angeregt. Um die Wirksamkeit der Maßnahme zu überprüfen, wurden auch während des Festbetriebes 2012 Videoaufnahmen erstellt und ausgewertet.

 

4.3. Personenstromanalyse durch die IST GmbH

Die IST GmbH ist u. a. Verbundpartner des vom Bundesministeriums für Bildung und Forschung geförderten Projektes „BaSiGo – Bausteine für die Sicherheit von Großveranstaltungen“, das eine verbesserte Sicherheit bei Großveranstaltungen zum Ziel hat. Das Projekt gilt als Folgeprojekt des von Herrn Dr. Oberhagemann geleiteten EVA-Projektes.

Um Aussagen über die Fluchtwegesituation auf dem Festgelände zu erhalten, wurde die Fa. IST GmbH mit Sitz in Frankfurt am Main mit der Erstellung einer Studie beauftragt. Dabei wurden mit Hilfe einer Computersimulation Besucherströme auf dem Festgelände erfasst und ein Räumungsszenario simuliert. Auf der Basis der Videodokumentation von Herrn Dr. Oberhagemann wurde von einer Spitzenbelastung von rund 37.000 auf dem gesamten Festgelände verteilten Besuchern ausgegangen und sowohl der Ist-Zustand als auch eine Variante untersucht, die den geplanten zusätzlichen Treppenabgang zum Westast der Bergstraße im Bereich des zweiten Ausschanks des Erichkellers (Nähe Bommibude) umfasst.

 

Das Modell und die Bewertung stellen dabei auf Personendichten ab. Ab einer Personendichte von 3 - 5 Personen/m² kommt es in Teilbereichen zum zeitweisen Stillstand der Besucherströme, vor allem in der Nähe von Attraktionen (z.B. vor Musikkapellen). Inwiefern solche Situationen als kritisch zu beurteilen sind, hängt wesentlich von der Akzeptanz durch die Besucher ab und damit von der Dauer der Stausituation, der zugängigen Information und der Verfügbarkeit von Ausweichmöglichkeiten. Auf jeden Fall ist hier –so die Studie- immer die Gefahr gegeben, dass es zur kritischen Stufe mit Personendichten von 5 Personen/m² und mehr kommt. In diesem Dichtebereich können Personen nicht mehr ausweichen und durch nachströmende Personen auftretende Druckwellen sind nicht zu stoppen. Kommt es hier zu Stürzen, besteht eine große und unmittelbare Gefahr für die betroffenen Personen. Es gilt daher punktuelle bzw. temporäre Überfüllungen zu vermeiden.

 

Vor diesem Hintergrund werden nachfolgend die wesentlichen Ergebnisse der Studie zusammenfassend dargestellt:

 

·         Die Gesamträumungszeit für das Festgelände (z. B. bei einer drohenden Unwetterlage mit Warnmeldung des Wetterdienstes) liegt im Ist-Zustand unter 30 Minuten und damit innerhalb eines tolerierbaren Zeitraums.

·         Der geplante zusätzliche Treppenabgang zum Westast der Bergstraße im Bereich der zweiten Schänke des Erich-Kellers bringt sowohl im zeitlichen Verlauf als auch bei den lokalen Personendichten Entlastung und wird daher empfohlen.

·         Der östliche Bereich (Schaustellerbereich) ist nach 10 Minuten fast völlig geräumt. Kritisch ist hier nur der Birkners-Keller, dessen Terrassenbereich nur über eine Treppe verlassen werden kann. Daher dauert es mehr als 15 Minuten, bis dieser Bereich geräumt ist. Hier wird es jedoch bereits zum diesjährigen Berg einen zweiten Fluchtweg geben, der die Situation entschärft.

·         Im westlichen Bereich (Kellerbereich) bilden sich im Bereich der Treppenabgänge von den Terrassen über den Kellern rasch andauernde Dichtebereiche, die kritisch zu beurteilen sind. Da praktisch alle Treppenabgänge in den schon zu Beginn der Räumung dicht gefüllten Straßenbereich „An den Kellern“ münden, wird hier der Abstrom der Besucher aus den oberen Terrassen stark behindert. Diese Stausituation in den Terrassenabgängen dauern im westlichen Bereich etwa 10 Minuten, im mittleren Bereich (Hofbräu- und Niklas-Keller) etwa 15 Minuten. Vor diesem Hintergrund muss sichergestellt werden, dass es zu keiner punktuellen Überfüllung auf dem Hauptweg kommt. Mit der Polizei besteht Einvernehmen, dass eine Verlegung des Musikpodiums auf dem Niklas-Keller in den hinteren Bereich zu einer Entlastung des Hauptweges im T-Bereich beitragen kann. Für 2013 wird im Einvernehmen mit den betroffenen Festwirten zunächst versucht, an fünf besucherstarken Abenden die Kapelle auf dem Niklas-Keller zu drehen und in Nordausrichtung spielen zu lassen.

·         Die Situation am westlichen Ende des Festbereiches (Kitzmann-Zelt) ist geprägt durch einen schmalen Abgang zur Bayreuther Straße hin. Im Räumungsfall dauert es bis zu 15 Minuten, bis das Zelt über die verfügbaren Ausgänge geräumt ist (zum Teil gegenläufige Personenströme). Es ist daher angedacht, die Ausgangssituation im westlichen Bereich zu überplanen und die verfügbaren Fluchtwege zu optimieren (Verbreiterung der Wegefläche).

·         Die Simulationen zeigen, dass sich die Räumung in den letzten 10 Minuten auf das südliche T (untere Bergstraße) konzentriert. Das östliche T (Straße An den Kellern) ist dagegen schon sehr viel früher weitgehend geräumt, so dass sich hier keine Notwendigkeit zum Schaffen zusätzlicher Fluchtwege zeigt. Die Situation im südlichen T kann entspannt werden, wenn durch organisatorische Maßnahmen (Einsatz von Ordnern) der von Westen kommende Personenstrom im mittleren Bereich (inklusive Fluchtweg über den Enkesteig) teilweise nach Osten weitergeleitet wird.

 

5. Fazit und Ausblick

Mit dem „Sicherheitskonzept Erlanger Bergkirchweih“ wurde ein umfassendes und ganzheitliches Sicherheitskonzept für die diesjährige Bergkirchweih vorgelegt. Eine Anpassung, Fortschreibung und Ergänzung des Sicherheitskonzeptes wird jährlich durch das für die Bergkirchweih zuständige Fachamt und die „Arbeitsgruppe Bergsicherheit“ erfolgen. Der mehrjährige Stufenplan bzw. die sicherheitsrelevanten Einzelfestlegungen sollen sukzessive umgesetzt werden, um die Sicherheit der Festbesucher bestmöglich zu gewährleisten. Dennoch gibt es – wie bei jeder Großveranstaltung – keine hundertprozentige „Sicherheitsgarantie“. Es ist nie auszuschließen, dass etwas passiert.

 


Anlagen:
Sicherheitskonzept Erlanger Bergkirchweih – gekürzte Fassung ohne Anlagen