Betreff
Das Bundeskinderschutzgesetz (BKiSchG)
Vorlage
511/038/2012
Aktenzeichen
IV/51/511/SWI
Art
Mitteilung zur Kenntnis

Der Bericht der Verwaltung dient zur Kenntnis.

 


 

Das Bundeskinderschutzgesetz (BKiSchG) ist am 01.01.2012 in Kraft getreten. Das Gesetz enthält im Artikel 1 ein eigenes Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG) und in den Artikeln 2-6 Änderungen des SGB VIII, Änderungen anderer Gesetze, Evaluation, Neufassung des Achten Buches Sozialgesetzbuch und Inkrafttreten.

 

Zielsetzung

Ziel des Bundeskinderschutzgesetzes ist die Optimierung des Kinderschutzes. Der Gesetzgeber würdigt mit diesem Gesetz die Bedeutung der Frühen Hilfen während der Schwangerschaft und in den ersten Lebensjahren des Kindes. Hier werden wichtige  Bereiche der Prävention und des frühzeitigen Hilfeangebots durch die Jugendhilfe gesetzlich geregelt und damit als unverzichtbarer Bestandteil einer modernen Jugendhilfe festgeschrieben.

 

Der Gesetzgeber folgt damit der fachlichen Erkenntnis, dass der Schutz der Kinder durch präventive  Maßnahmen und Hilfeangebote an die Eltern am wirkungsvollsten ist. Den Eltern frühzeitig die Hilfeleistungen aufzeigen und offensiv für dessen Inanspruchnahme zu werben, ist ein wichtiger Baustein des neuen Kinderschutzgesetzes. Die Stärkung der elterlichen Erziehungskompetenz und der Ausbau und die Intensivierung der Familienbildung erfahren durch das neue Gesetz noch-mals eine besondere Bedeutung im Sinne des präventiven Kinderschutzes.

 

Das Kindeswohl sicher zu stellen, ist Aufgabe der staatlichen Gemeinschaft. Zur staatlichen Gemeinschaft gehören auch Berufsgruppen, die mit Kindern und Jugendlichen Kontakt haben und/ oder arbeiten. Hier sieht der Gesetzgeber die Notwendigkeit einer besseren Zusammenarbeit  der verschiedenen Berufsgruppen bei (drohenden) Kindeswohlgefährdungen. Folgerichtig wurde eine Befugnisnorm zur Information des Jugendamtes durch diese Berufsgruppen bei Kindeswohlgefährdung normiert. In weiteren wird die Stärkung der Kinderrechte durch weitreichende Vorgaben  ausgebaut.

 

Der Aufbau und die Weiterentwicklung verbindlicher Strukturen zur Zusammenarbeit im Kinderschutz zwischen den zuständigen Leistungsträgern, Organisationen und Institutionen ist ein eigener Paragraph gewidmet. Die öffentliche Jugendhilfe hat dafür Sorge zu tragen, dass alle Leistungserbringer die notwendigen fachlichen Kriterien erfüllen. Dazu werden die örtlichen Jugendämter verpflichtet, Grundsätze für die Bewertung und Gewährleistung der Qualität – auch für die Zusammenarbeit mit anderen Organisationen – zu entwickeln, anzuwenden und regelmäßig zu überprüfen und Evaluationen durch zu führen. In diesem Zusammenhang wird auch die Fallübergabe bei Zuständigkeitswechsel in einen anderen Jugendamtsbezirk neu geregelt.

 

Im Bereich der Statistik normiert der Gesetzgeber erstmalig die Erhebung von Daten über Gefährdungseinschätzungen;

Wesentliche Änderungen

Frühe Hilfen

Die öffentliche Jugendhilfe, also das Jugendamt, hat gemäß § 2 KKG Eltern sowie werdenden Väter und Mütter über Leistungsangebote im örtlichen Einzugsbereich zur Beratung und Hilfe in Fragen der Schwangerschaft, Geburt und der Entwicklung des Kindes in den ersten Lebensjahren zu informieren. Der Gesetzgeber verfolgt hier das Ziel, dass Eltern frühzeitig über die Angebote der Jugendhilfe zum Wohl des Kindes informiert werden und für die Inanspruchnahme der Leistungen im Interesse des Kindes geworben wird. In diesem Rahmen können den (werdenden) Eltern auch persönliche Gespräche angeboten werden.

Das Stadtjugendamt Erlangen plant in Abstimmung mit dem Bürgermeister- und Presseamt -Erlanger Bündnis für Familien -, den jungen Eltern bei der Anmeldung ihres Kindes durch das Standesamt ein Begrüßungspaket auszuhändigen zu lassen, das oben genannte Kriterien erfüllt.

 

Die Netzwerke Frühe Hilfen, im Bereich des Stadtjugendamtes die Koordinationsstelle Frühe Hilfen  (KOKI), werden nach § 3  Abs. 4 KKG durch den möglichen Einsatz von Familienhebammen gestärkt. Mit der „Bundesoffensive Familienhebammen“ wird der Bund diese Netzwerke stärken und verschiedene Modelle der Umsetzung im Netzwerk erproben und evaluieren. Dazu stellt der Bund vier Jahre lang eine finanzielle Unterstützung zur Verfügung. Danach wird der Bund einen Fond zur Sicherstellung der Netzwerke Frühe Hilfen und der psychosozialen Unterstützung von Familien einrichten. Derzeit werden auf Bundes- und Landesebene die formalen Regelungen erarbeitet. Diese Regelungen sind für das Stadtjugendamt maßgeblich.

 

Interinstitutionelle Zusammenarbeit im Kinderschutz

Fallübergreifende Zusammenarbeit : Lokale Netzwerke im Kinderschutz

Gemäß § 3 Abs. 1-3 KKG sind örtliche Netzwerke aufzubauen und zu pflegen, mit dem Ziel sich gegenseitig über das jeweilige Angebots- und Aufgabenspektrum zu informieren, strukturelle Fragen der Angebotsgestaltung und -entwicklung zu klären, sowie Verfahren im Kinderschutz aufeinander abzustimmen. In diese Netzwerke sind Vertreterinnen und Vertreter der Jugendhilfe, des Gesundheitswesens und sonstiger Institutionen einzubeziehen.

In Erlangen übernimmt das Stadtjugendamt diese Aufgabe bereits seit längerem erfolgreich durch die Koordinationsstelle Frühe Hilfen. Die Konzeption der Koordinationsstelle Frühe Hilfen wurde im Jugendhilfeausschuss bereits vorgestellt.

 

Einzelfallbezogene Zusammenarbeit

Die Übermittlung von Informationen bei Kindeswohlgefährdungen durch Geheimnisträger führte in der Vergangenheit bei den betroffenen Berufsgruppen immer wieder zu Verunsicherungen. Das Bundeskinderschutzgesetz hat die Befugnisse und gleichzeitig einen Beratungsanspruch dieser Personengruppe geregelt.

Zu diesen Geheimnisträgern gehören: Ärztinnen oder Ärzte; Hebammen; Berufspsychologinnen oder -psychologen; Ehe-, Familien-, Erziehungs- oder Jugendberaterinnen oder -berater; Beraterinnen oder Berater für Suchtfragen; Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter von Schwangerenberatungsstellen; staatlich anerkannte Sozialarbeiterinnen oder Sozialarbeiter sowie Sozialpädagoginnen oder Sozialpädagogen und Lehrerinnen oder Lehrer.

Werden diesen Personen in Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder Jugendlichen bekannt so sollen sie mit dem Kind oder Jugendlichen und den Personensorgeberechtigten die Situation erörtern und soweit erforderlich bei den Personensorgeberechtigten auf die Inanspruchnahme von Hilfen hinwirken, soweit hierdurch der wirksame Schutz des Kindes oder des Jugendlichen nicht infrage gestellt wird.

 

Diese Personen haben zur Einschätzung einer Kindeswohlgefährdung gegenüber dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe Anspruch auf Beratung durch eine „insoweit erfahrene Fachkraft“ (Fachbegriff für Experten/innen mit einem bestimmten Anforderungsprofil).

Beim Stadtjugendamt Erlangen wird diese Aufgabe durch die Jugend- und Familienberatung wahrgenommen. Die Jugend- und Familienberatung hat Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für diese verantwortungsvolle Aufgabe qualifiziert und übernimmt diese Aufgabe bereits seit einigen Jahren für Beschäftigte in der Jugendhilfe  (z.B. Erzieherinnen in Kindertageseinrichtungen) und wird künftig für alle neu hinzu gekommenen o. g. Berufsgruppen zur Verfügung stehen.

 

Wahrnehmung des Schutzauftrages

Der Gesetzgeber hat aber auch im Bereich des intervenierenden Kinderschutzes Aufgabenbereiche und Befugnisse präzisiert. So wurde der § 8a SGB VIII „Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung“ ergänzt, dass das Jugendamt bei einer Gefährdungseinschätzung „sofern dies nach fachlicher Einschätzung erforderlich ist, sich dabei einen unmittelbaren Eindruck von dem Kind und von seiner persönlichen Umgebung zu verschaffen“ hat.

 

Auch bei der Erteilung einer Betriebserlaubnis für Einrichtungen, geregelt im § 45 SGB VIII, ist das Wohl der Kinder die Richtschnur für die Erteilung dieser Erlaubnis. Hier wurden Anforderungen, die Voraussetzungen für eine Betriebserlaubnis sind, weiter entwickelt und konkretisiert.  Neu eingeführt wurde der wichtige Aspekt der Partizipation von Kindern und Jugendlichen in der Einrichtung. Beschwerde- und Partizipationsmöglichkeiten sind zu entwickeln und zu implementieren. Sie sind nun ein Bestandteil der Konzeption und damit Vorraussetzung für die Betriebserlaubnis.

 

Das Stadtjugendamt ist hier sowohl als Aufsichtsbehörde (KiTas freier Träger) tätig, als auch als Träger eigener Einrichtungen und als Beleger von (Heim-)Einrichtungen gefordert. Die Entwicklung der Partizipations- und der Beschwerdemöglichkeit für Kinder und Jugendliche ist ein weiterer Baustein im Bereich Schutz der Kinder und Jugendlichen.

 

In § 47 SGB VIII „Meldepflichten“ wurde zusätzlich aufgenommen, dass der Träger einer erlaubnispflichtigen Einrichtung der zuständigen Behörde „Ereignisse oder Entwicklungen, die geeignet sind, das Wohl der Kinder und Jugendlichen zu beeinträchtigen“ unverzüglich anzuzeigen hat. Auch diese Vorschrift dient dazu, mögliche Kindeswohlgefährdungen ohne Verzögerung an zu gehen und die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen.  Bei Mängeln und nicht ausreichenden Rahmenbedingungen hat die Aufsichtsbehörde durch geeignete Auflagen die Beseitigung dieser Mängel zeitnah ein zu fordern. Ist das Wohl der Kinder und Jugendlichen in einer  Einrichtung nicht gewährleistet, muss die Aufsichtsbehörde, wenn der Träger der Einrichtung die Gefährdung nicht abwendet, die Erlaubnis zurücknehmen oder entziehen.

 

Kontinuitätssicherung bei Zuständigkeitswechsel

Kein Kind oder Jugendlicher darf aufgrund eines Zuständigkeitswechsels in seinem Wohl gefährdet werden. Ein Zuständigkeitswechsel ist bei Situationen mit vorliegender Kindeswohlgefährdung oder dem Verdacht auf eine solche sicher zu gestalten. Die Übersendung von Akten mit der Bitte um Fallübernahme ist hier bei weitem nicht ausreichend. In Fällen von Kindeswohlgefährdung wird zur Sicherstellung der Kontinuität bei einem Zuständigkeitswechsel, das bisher zuständige Jugendamt verpflichtet, das neu zuständige Jugendamt über Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes zu informieren. Diese Mitteilung soll (für die öffentliche Verwaltung also muss)  im Rahmen eines Gespräches zwischen den Fachkräften der beiden örtlichen Träger erfolgen, an dem die Personensorgeberechtigten sowie das Kind oder der Jugendliche beteiligt werden sollen, soweit hierdurch der wirksame Schutz des Kindes oder des Jugendlichen nicht in Frage gestellt wird.

In der Praxis heißt diese Vorschrift konkret, dass Dienstreisen des bisherigen Sachbearbeiters/ Sozialpädagogen zu dem jeweiligen Jugendamt unverzichtbar  sind. Ein Abschluss für das abgebende Jugendamt ist erst dann möglich, wenn der „Fall“ von dem neu zuständigen Jugendamt formal übernommen wird. Bis zu dieser Übernahme hat das bisher zuständige Jugendamt die fortdauernde Leistungsverpflichtung. In der Praxis wird dies immer wieder zu Konstellationen führen, die zusätzliche Dienstreisen zur weiteren Bearbeitung notwendig machen können.

 

Das Stadtjugendamt Erlangen hat immer wieder Kinder/ Jugendliche in Vollzeitpflege bei Familien  untergebracht, die nicht im Stadtgebiet wohnen. Umgekehrt leben Pflegekinder aus anderen Städten oder Gemeinden bei Pflegeeltern in Erlangen. Diese Pflegeeltern haben Anspruch auf  die Sicherstellung und Finanzierung einer ortsnahen Beratung und Unterstützung.  Auch in diesem Bereich wird aktuell an einer landesweiten Regelung für die Umsetzung gearbeitet.

 

Thematisierung sexuellen Kindesmissbrauchs – Führungszeugnisse

Zum Schutz der Kinder und Jugendlichen  wurde bereits vor einigen Jahren die Pflicht für hauptberuflich tätige Fachkräfte in der Kinder und Jugendhilfe, sowie vermittelte Kindertagespflege - und Vollzeitpflegepersonen, ein Führungszeugnis vorzulegen, auf ein „erweitertes Führungszeugnis“ ausgeweitet. So soll verhindert werden, dass einschlägig vorbestrafte Personen eine berufliche Tätigkeit mit Kindern und Jugendlichen in der Jugendhilfe ausüben können. Durch Abschluss von Vereinbarungen zwischen dem öffentlichen Träger und freien Trägern ist die Einhaltung dieser Vorschrift sicher zustellen.

 

Der Personenkreis zur Vorlage von erweiterten Führungszeugnissen wurde im Bundeskinderschutzgesetz auf neben- und ehrenamtlich Tätige erweitert.  Anhand von Art, Intensität und Dauer des Kontaktes ist zu entscheiden, welche Personen ein Führungszeugnis vorzulegen haben. Aufgabe des Jugendamtes ist es, anhand von noch zu entwickelnden Kriterien sicher zu stellen, dass diese Anforderungen erfüllt werden.

 

Fazit

Ziel des neuen Bundeskinderschutzgesetzes ist die Optimierung des Kinderschutzes. Dabei ist jedoch auch allen Beteiligten klar: auch mit dem neuen Gesetz wird und kann es keine hundertprozentige Sicherheit geben. Aber: alle sind gefordert, gemeinsam alles Mögliche zu tun, um den Schutz von Kindern und Jugendlichen aktiv zu sichern. Im neuen Bundeskinderschutzgesetz wurde diesem Gedanken Rechnung getragen; der Personenkreis, der beruflich mit Kindern und Jugendlichen zu tun hat, wurde ins Gesetz auf genommen und z. B. mit Befugnissen zur Informationsweitergabe ausgestattet. Zudem enthält das Gesetz auch Regelungen zu fachlichen Handlungsleitlinien bei der Entwicklung von Qualitätskriterien, die nun verpflichtend vorgeschrieben sind. 

Die Stadt Erlangen investiert im Bereich der Jugendhilfe erhebliche Mittel. Die Auswertung und Bewertung der Wirkungen und Qualität der geleisteten Arbeit i . S. einer Weiterentwicklung / Veränderung kann bisher nur peripher bearbeitet werden. Der Gesetzgeber fordert hier ein Umdenken und Umsteuern i. S. einer wirkungsvolleren Gestaltung eines verbesserten Kinderschutzes. Dies braucht entsprechende Ressourcen und zusätzlichen Qualifikationen – nicht nur in der direkten Arbeit mit Kindern und Jugendlichen selbst  - sondern auch innerhalb des Jugendamtes und in der Zusammenarbeit mit freien Trägern und Anbietern von Jugendhilfeleistungen. Ggf. notwendige personelle oder finanzielle Konsequenzen werden sich erst im Zuge der konkreten Umsetzung zeigen.

 

Zusammenfassend  ist fest zu stellen, dass die Jugendhilfe in Erlangen in einigen Teilbereichen bereits vor dem Inkrafttreten des Bundeskinderschutzgesetzes Maßnahmen auf den Weg gebracht hat, die im Einklang mit den gesetzlichen Neuregelungen stehen. In anderen Bereichen gibt es teilweise noch erheblichen Entwicklungsbedarf.  Eine Arbeitsgruppe im Jugendamt befasst sich regelmäßig mit der Umsetzung des Bundeskinderschutzgesetzes. Zug um Zug werden die Anforderungen innerhalb der Verwaltung des Jugendamtes ebenso wie die, die an freie Träger, Institutionen, Organisationen mit haupt- und nebenamtlichen Personal gestellt werden, bearbeitet werden.

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Anlagen: keine