Betreff
Inklusion - Umsetzung der Behindertenrechtskonvention in der Stadt Erlangen
Vorlage
13-2/164/2011
Aktenzeichen
V
Art
Mitteilung zur Kenntnis

Der folgende Sachbericht dient zur Kenntnis.


Inklusion – Umsetzung der Behindertenrechtskonvention in der Stadt Erlangen

 

Ratifizierung der Behindertenrechtskonvention durch Deutschland am 30. März 2007

Das Thema ist alles andere als neu: bereits am 21. Dezember 2008 hat der Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates per Gesetz dem schon am 30. März 2007 von der Bundesrepublik Deutschland ratifizierten Vertrag zugestimmt.

Am 28. März 2011 erscheint der interfraktionelle Gesetzentwurf zur Änderung des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen – Umsetzung der Behindertenrechtskonvention im bayerischen Schulwesen (Inklusion).

Am 3. Mai 2011 hat die Bayerische Staatsregierung den Entwurf eines Aktionsplans zur Umsetzung des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderung vorgelegt.

Am 15. Juni 2011 ist der Nationale Aktionsplan der Bundesregierung zur Umsetzung des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vom Bundeskabinett unter größtmöglicher Beteiligung von Menschen mit Behinderung und ihren Verbänden und Institutionen verabschiedet worden. Der Aktionsplan hat eine Laufzeit von 10 Jahren (bis 2020), wird jedoch während dieser Zeit kontinuierlich weiterentwickelt und aktualisiert. In die Weiterentwicklung und die Kontrolle der Umsetzung des Aktionsplans wird die Zivilgesellschaft ebenfalls aktiv eingebunden.

1. August 2011: Änderung des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen BayEUG.

Am 3. August 2011 beschließt das Bundeskabinett den Ersten Staatenbericht der Bundesrepublik Deutschland zum Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen.

Derzeit erarbeiten verschiedene Behindertenverbände einen gemeinsamen Schattenbericht zum offiziellen Bericht der Bundesregierung, der 2012 fertig gestellt und an den Ausschuss in Genf übermittelt werden soll.

 

 

Die Behindertenrechtskonvention (BRK) umfasst 50 Artikel, die alle Lebensbereiche betreffen. Besonders im öffentlichen Fokus, da mit viel konzeptioneller Arbeit, Umorganisation und hohen Kosten verbunden ist Artikel 24 der BRK „Bildung“. Die wichtigsten Punkte hieraus:

  • Kinder mit Behinderung haben einen individuellen Rechtsanspruch auf Beschulung an einer Regelgrundschule und genauso an weiterführenden Schulen.
  • Dabei muss nicht nur an bauliche Barrierefreiheit, sondern auch an die Sinnesorgane gedacht werden (Schriftgröße an Zimmertüren etc.). Der Rechtsanspruch betrifft alle Behinderungsarten.
  • Ausbildungskurrikula der Lehrer müssen um Aspekte der inklusiven Bildung erweitert werden, da der Schulalltag für die gesamt Schulfamilie verändert werden wird.
  • Derzeit gibt es keine zeitliche Vorgabe, wann inklusive Bildung umgesetzt sein muss, ebenso fehlen konkrete Aussagen zur Finanzierung.

Das BayEUG umschreibt auch, wann inklusive Bildung nicht umgesetzt werden muss (Art 41 Abs. 1 und 5 BayEUG):

  • Wenn die Förderung des behinderten Kindes nicht gewährleistet werden kann
  • Wenn Rechte Dritter beeinträchtigt werden

Durch die Umsetzung der Inklusion wird es bei den Schulträgern zu erheblichen zusätzlichen Kosten kommen, bislang haben die Kommunen die neue, große und jahrelange Aufgabe „Inklusion“ ohne jegliche Finanzmittel erhalten. Neben neuen Kosten werden auch Kostenverschiebungen entstehen z.B. bei den Fahrtkosten, die (z. T. mit Spezialfahrzeugen durchgeführt) zukünftig zumindest teilweise von den Bezirken zu den Kommunen wandern könnten. Auch werden viel mehr Integrationshelfer benötigt werden (die natürlich zuvor ausgebildet werden müssen). Der Bezirk Unterfranken berichtet beispielsweise über eine Verdoppelung der Kosten für Integrationshelfer.

Schon diese beiden Beispiele verdeutlichen, wie unbefriedigend die derzeitige Situation ist. Im Bay. Landtag gab es zwar erfreulicherweise eine fraktionsübergreifende Initiative, leider wird aber seitens des Freistaats die Konnexität verneint. Die Begründung, dass die Kommunen völkerrechtlich zuständig seien, kann dabei wenig überzeugen.

 

Aktionsprogramm zur Umsetzung der Behindertenrechtskonvention in Erlangen:

In Erlangen wird das Thema intensiv vom Forum behinderter Menschen, vom Behindertenbeauftragten sowie von den Fraktionen im Erlanger Stadtrat bearbeitet.
Derzeit liegen folgende Fraktionsanträge vor:

 

SPD-Fraktionsantrag Nr. 101/2009 vom 23. März 2009

Grüne Liste Fraktionsantrag Nr. 63/2010 vom 23. Juni 2010

SPD- Fraktionsantrag Nr. 64/2010 vom 24. Juni 2010

SPD- Fraktionsantrag Nr. 65/2010 vom 29. Juni 2010

SPD- Fraktionsantrag Nr. 49/2011 vom 10. Mai 2011

 

In Erlangen hat das Forum behinderter Menschen in Erlangen frühzeitig mit der Bearbeitung des Themas begonnen und ein Aktionsprogramm vorgelegt, welches laufend überarbeitet wird. Einige der Forderungen (z.B. im Jugendhilfebereich) sind bereits umgesetzt, anderes muss umstrukturiert werden, wieder anderes muss erst begonnen werden. Die Ausführungen des Forums sind für die Verwaltung äußerst hilfreich, der Behindertenbeauftragte der Stadt Erlangen nimmt an den Sitzungen des Forums regelmäßig teil.

 

Das Forum für Behinderte Menschen in Erlangen hat am 4. Mai diesen Jahres im Rathaus einen Workshop für die Stadträte organisiert, um in das Thema „Inklusion“ einzuführen und das Aktionsprogramm vorzustellen.

 

 

Schließlich wurde das Thema in der SGA-Sitzung am 28. Juni 2011 ausführlich diskutiert. In dieser Sitzung wurde herausgearbeitet, dass bei der Umsetzung der Inklusion in Erlangen nicht ein Aktionsplan der Verwaltung im Vordergrund stehen sollte, sondern die Wünsche und die Sichtweise der betroffenen Menschen mit Behinderung vorrangig berücksichtigt werden sollen. Die Politik legte wegen der umfassenden Bedeutung des Aktionsprogramms und der BRK fest, dass das Aktionsprogramm und das Thema Inklusion in allen Fachausschüssen diskutiert werden sollte. Weiterhin bestand in dieser Sitzung Einigkeit, dass das Aktionsprogramm der Verwaltung sowie den städtischen Töchtern als Arbeitsgrundlage dienen sollte. Der Besuch einer „inklusiven“ Schule in Hessen wird von Referat I geplant. Möglich ist auch der Besuch einer der 41 inklusiven Modellschulen in Bayern, beispielsweise in Lauf.

 

Die Beschlussvorlage wurde bisher in folgenden Ausschüssen behandelt:

 

Sozial- und Gesundheitsausschuss/Sozialbeirat am 28. Juni 2011
Haupt-, Finanz- und Personalausschuss am 21. September 2011
Bauausschuss / Werkausschuss für den Entwässerungsbetrieb am 27. September 2011
Kultur- und Freizeitausschuss am 5. Oktober 2011
Sportausschuss/Sportbeirat am 11. Oktober 2011
Jugendhilfeausschuss am 13. Oktober 2011
Kuratorium der Volkshochschule am 26. Oktober 2011
Stadtrat am 27. Oktober 2011
Rechnungsprüfungsausschuss am 17. November 2011

 

Im Sozial- und Gesundheitsausschuss/Sozialbeirat am 28. Juni 2011 wurde weiterhin festgelegt, dass die geplante Koordinierungsstelle für die Umsetzung der Behindertenrechtskonvention geschaffen werden soll und mit 20 000,- € aus dem Budgetergebnis 2010 des Sozialamtes bezuschusst wird.

 

Die Stelle soll bei einem Behindertenverband angesiedelt werden und der größte Teil der Finanzierung bei der Aktion Mensch beantragt werden. Da die Stellen seitens der „Aktion Mensch“ pro Stelle für die Betreuung von ca. 250.000 Menschen gedacht sind, bietet sich die Zusammenarbeit mit dem Landkreis an. Die Bewerbung um die Bezuschussung durch die „Aktion Mensch“ ist auch dementsprechend formuliert. Das Bewerbungsverfahren läuft derzeit. Über das Ergebnis wird zeitnah unterrichtet werden.

 

Das Gutachten wurde im Bauausschuss / Werkausschuss, Kultur- und Freizeitausschuss, Sportausschuss / Sportbeirat, Jugendhilfeausschuss einstimmig angenommen.

 

Im Kultur- und Freizeitausschuss wurde als Protokollvermerk festgelegt, dass die zum Bereich des Ausschusses gehörenden Fachämter und -abteilungen aufgefordert werden, dem Ausschuss mitzuteilen, welche Maßnahmen zur Inklusion in ihren Einrichtungen bereits vorhanden sind und welche Maßnahmen bis Ende 2011/Anfang 2012 kurzfristig noch umgesetzt werden können.

 

Im Jugendhilfeausschuss wurde festgelegt, dass die Verwaltung des Jugendamtes beauftragt wird, mitzuteilen, welche Maßnahmen zur Inklusion in ihren Einrichtungen bereits vorhanden sind und welche Maßnahmen kurzfristig noch umgesetzt werden können. Des Weiteren soll zu der Sitzung, in der die Maßnahmen vorgestellt werden, ein Mitglied des Forums behinderte Menschen in Erlangen eingeladen werden.

Das Forum für behinderte Menschen in Erlangen soll einen dauerhaften Gaststatus im Ausschuss erhalten.

 

Im Kultur- und Freizeitausschuss am 7. November 2011 stand „Inklusion wiederum auf der Tagesordnung. Ref. IV hat sich zunächst allgemein mit dem Thema „Inklusion als Gesellschaftsziel für Bildung, Kultur und Demokratie“ auseinandergesetzt, anschließend haben die Ämter 41, 42, 43, 44, 452, konkrete Maßnahmen vorgestellt.

 

 

 

Im Haupt-, Finanz- und Personalausschuss wurde zusätzlich angeregt, nicht nur in den zukünftigen Arbeitsprogrammen zum Thema „Inklusion“ Stellung zunehmen, sondern bei der Diskussion der bereits gedruckten Arbeitsprogramme in den kommenden Wochen darzulegen, was von jedem Amt kurzfristig umgesetzt werden kann.

 

Der Wortlaut des Beschlusses, wie er in allen Ausschüssen zu Grunde lag:

 

  1. Alle städtischen Dienststellen sind aufgefordert die Ziele der UN-Behindertenrechts-konvention bei ihrer Arbeit möglichst umfassend zu berücksichtigen. Die Umsetzungsvorschläge des Forums „Behinderte Menschen in Erlangen“ aus dem Workshop vom
    4. Mai 2011 sollen dabei als erste Anhaltspunkte dienen.

 

  1. Bei der Formulierung der jährlichen Arbeitsprogramme ist künftig das Thema „Inklusion – Umsetzung der UN Behindertenrechtskonvention“ grundsätzlich immer anzusprechen und ein entsprechender Handlungsbedarf bzw. Verbesserungsmöglichkeiten ausdrücklich zu benennen.

 

  1. Als städtische Beauftragte für alle Fragen der Umsetzung der UN Behindertenrechtskonvention in Erlangen wird künftig Frau Bürgermeisterin Dr. Preuß fungieren.

 

Weiteres Vorgehen:

Ein Schwerpunkt wird in Erlangen wie überall, die inklusive Bildung sein. Hierzu wird ein runder Tisch gegründet.

Beteiligt u. a.: Ref. I, Ref. V, 40, 50, 51, staatl. Schulamt, Förderschulen, Fraktionen, Forum beh. Menschen in ER und je nach Thema auswärtige Gäste

 

Die BRK betrifft mit ihren 50 Artikeln alle Lebensbereiche. Nicht nur die Stadtverwaltung, sondern alle gesellschaftlichen Kräfte sind daher an der Diskussion und Umsetzung von Inklusion zu beteiligen. Die Koordinationsstelle für Inklusion wird daher Gespräche mit allen Ämtern und den städtischen Töchtern führen, um zu eruieren, welche Kooperationspartner bei welchem Thema mit ins Boot geholt werden müssen.

 

In den kommenden Arbeitsprogrammen wird jedes Amt zum Thema Inklusion Stellung nehmen.

 

Über die Fortschritte und umgesetzten Maßnahmen soll in den Fachausschüssen berichtet werden. Sobald die „Aktion Mensch“ über die Förderung der Betreuungsstellen entschieden hat, wird die Verwaltung den Stadtrat informieren.

 

Schließlich sind Gespräche in den Ständevertretungen (Städtetag etc.) und überregionalen Gremien notwendig, um größtmögliche Effizienz und eine gerechte Kostenverteilung zu erreichen. Schon die völlig ungeklärte Finanzierungsfrage erfordert weitere Diskussionen und Gesetzesinitiativen, um vor allem im Bildungsbereich zu Fortschritten zu kommen.