Betreff
Auswirkung der gesetzlichen Änderungen im Vormundschaftsrecht
Vorlage
51/035/2011
Aktenzeichen
IV/51/RRF
Art
Mitteilung zur Kenntnis

Der Bericht der Verwaltung dient zur Kenntnis.


 

In den vergangenen Jahren haben öffentlich gewordene Fälle von Kindesmisshandlungen, Kindesvernachlässigungen mit der Folge schwerster Körperverletzungen sowie Kindstötungen Gesellschaft und Politik aufgerüttelt, die Medien haben sie vielfältig aufgegriffen. Die Bundespolitik hat daraufhin auf höchster Ebene reagiert, Bundesregierung und die Ministerpräsidenten der Länder haben sich in zwei „Kindergipfeln“ dem Thema gewidmet und dem Bundesministerium der Justiz Handlungsaufträge zur Verbesserung des Kinderschutzes erteilt. Dieses wiederum berief eine Kommission mit Fachleuten aus Justiz und Jugendhilfe ein, um Verbesserungsvorschläge zu erarbeiten. Im Ergebnis wurde festgestellt, dass die derzeitige Praxis der Amtsvormundschaft, also der von Jugendämtern geführten Vormundschaften und Pflegschaften für Minderjährige, effektiver und wesentlich persönlicher zu gestalten sei, um den Bedürfnissen der minderjährigen Kinder und Jugendlichen besser gerecht zu werden.

Der daraufhin erarbeitete Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Vormundschafts- und Betreuungsrechts hat zum Ziel, den persönlichen Kontakt des Vormunds zu dem Mündel und damit die Personensorge für das Mündel zu stärken. Dieses bedeutet:

 

·         Die Erweiterung der Verantwortung insbesondere für die Person (nicht nur für das Vermögen und die Verwaltung der Lebensumstände).

·         Dieses besser und umfangreicher zu dokumentieren sowie dem zuständigen Familiengericht im Rahmen einer festgeschriebenen Aufsichtspflicht regelmäßig zu berichten.

 

Im Einzelnen ergeben sich hieraus folgende zeitlichen Mehraufwendungen:

·         der persönliche ausreichenden Kontakt des Vormunds zu dem Mündel als regelmäßige und „ausreichende“ Leistung wird im Gesetz verpflichtend verankert,

·         die Förderung und Gewährleistung der Pflege und Erziehung des Mündels wird stärker als persönliche Pflicht des Vormunds ausgeprägt,

·         der persönlichen Kontakt des Vormunds zu dem Mündel ist ausdrücklich in die jährliche Berichtspflicht des Vormunds dem Familiengericht gegenüber einzubeziehen,

Des Weiteren ist vorgesehen, die Zahl der geführten Vormundschaften und Pflegschaften auf maximal 50 pro Vollzeitkraft zu begrenzen.

 

 

Im Wortlaut sollen u.a. folgende Bestimmungen in das Bürgerliche Gesetzbuch eingefügt werden:

§ 1793 Abs. 1 a:

Der Vormund hat mit dem Mündel persönlichen Kontakt zu halten. Er soll das Mündel in der Regel einmal im Monat in dessen üblicher Umgebung aufsuchen, wenn nicht im Einzelfall andere Besuchsabstände oder ein anderer Ort erforderlich sind.

§ 1800, neuer Satz:

Der Vormund hat die Pflege und Erziehung des Mündels persönlich zu fördern und zu gewährleisten.

§ 1837 Abs. 2, neuer Satz:

Es (das Familiengericht) hat insbesondere die Einhaltung der erforderlichen persönlichen Kontakte des Vormunds zu dem Mündel zu beaufsichtigen.

§ 1840 Abs. 1, neuer Satz:

Der Bericht hat auch Angaben zu den persönlichen Kontakten des Vormunds zu dem Mündel zu enthalten.

 

Der § 55 Abs. 2 SGB VIII wird wie folgt geändert (ab Satz 2):

Vor der Übertragung soll das Jugendamt das Kind oder den Jugendlichen zur Auswahl des Beamten oder Angestellten mündlich anhören, soweit dies nach Alter und Entwicklungsstand des Kindes oder Jugendlichen möglich ist. Ein vollzeitbeschäftigter Beamter oder Angestellter, der nur mit der Führung von Vormundschaften oder Pflegschaften betraut ist, soll höchstens 50 und bei gleichzeitiger Wahrnehmung anderer Aufgaben entsprechend weniger Vormundschaften oder Pflegschaften führen.

 

An diesen § 55 SGB VIII wird folgender Absatz 3 angefügt:

Die Übertragung (der Vormundschaft bzw. Pflegschaft) gehört zu den Angelegenheiten der laufenden Verwaltung. In dem durch die Übertragung umschriebenen Rahmen ist der Beamte oder Angestellte gesetzlicher Vertreter des Kindes oder Jugendlichen. Er hat den persönlichen Kontakt zu diesem zu halten sowie dessen Pflege und Erziehung nach Maßgabe der §§ 1793 Abs. 1 a und 1800 des Bürgerlichen Gesetzbuches persönlich zu fördern und zu gewährleisten.

 

Im Februar 2011 fand die öffentliche Anhörung zum Gesetzentwurf zur Änderung des Vormundschafts- und Betreuungsrechts im Bundestag statt. Nach jetzigem Zeitplan soll der Entwurf Mitte April 2011 in 2. und 3. Lesung im Bundestag behandelt werden und anschließend Ende Mai 2011 noch einmal im Bundesrat. Dann könnte das Gesetz im Juni oder Juli 2011 im Bundesgesetzblatt verkündet werden und würde in zwei Stufen in Kraft treten: Die Änderungen des SGB VIII, die sich u.a. auf die Fallzahlbegrenzung auf 50 pro Vollzeitstelle beziehen, würden, ebenso wie die Vorschrift zur familiengerichtlichen Kontrolle der Kontakte zwischen Vormund und Mündel, mit einem Jahr Verzögerung in Kraft treten, die anderen Änderungen sofort.

 

Zu dem Entwurf gab es diverse Stellungnahmen (vom Deutschen Städtetag über das Deutsche Institut für Jugendhilfe und Familienrecht bis hin zu Sozialwissenschaftlern/innen aus dem Hochschulbereich). Auf Praktikerseite wurde die Zahl „50 Fälle pro Vollzeitstelle“ als immer noch viel zu hoch angesetzt und eine Fallzahl von maximal 40 als Obergrenze genannt, um den gesetzlichen Vorgaben zum Wohl der betroffenen Kinder Genüge tun zu können. Dabei wurde auch der zusätzliche Personalbedarf für die Jugendämter zwischen doppelt und vierfach gegenüber dem heutigen Stand beschrieben.

 

Auswirkungen auf das Stadtjugendamt Erlangen:

 

Nimmt man das Jahr 2010 als Grundlage, wurden vom Stadtjugendamt Erlangen insgesamt 36 Vormundschaften und Pflegschaften geführt, wobei alljährlich etwa 20 Verfahren neu hinzu kommen, aber auch wieder abgegeben bzw. aufgehoben werden. Auch hier müssen Vormundschaften und Pflegschaften zusammen gesehen werden – wie es auch der Gesetzesentwurf tut – da sehr häufig sogar die Führung von Pflegschaften (hier wurde den Eltern bzw. dem allein sorgeberechtigten Elternteil nur ein Teil der elterlichen Sorge vom Familiengericht entzogen) vielfach einen höheren Arbeits- und Kommunikationsaufwand beinhaltet als es bei Vormundschaften der Fall ist.

 

Im Teilsachgebiet Vormundschaften, Pflegschaften, Beistandschaften, kindschaftsrechtliche Beurkundungen (diese Mischform verschiedener Tätigkeiten hat sich bislang aus verschiedenen Gründen bewährt) sind derzeit 6 Sachbearbeiterinnen mit 4 Planstellen (Vollzeitäquivalente).

 

Wie sich dieser Neuerungen auf den Personalbedarf auswirken, kann derzeit mit hinreichender Sicherheit noch nicht gesagt werden; eine erste, überschlägige Beurteilung des Personalmehrbedarfs für das Stadtjugendamt Erlangen zur Erfüllung der durch das Gesetz vorgeschriebenen Aufgaben hat ergeben, dass hierzu etwa 0,75 Planstellen zusätzlich benötigt werden. Das Stadtjugendamt wird daher auf Basis der Vorgaben des Vormundschaftsänderungsgesetzes im Rahmen der Aufstellung des Stellenplans 2012 die Schaffung einer entsprechenden Stelle beantragen.

 

 


Anlagen: