Betreff
Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung und Hilfe zum Lebensunterhalt, hier: Auszahlung des Kindergeldes für behinderte volljährige Kinder an die Stadt Erlangen als Träger der Sozialhilfe (Abzweigung)
Vorlage
502/003/2011
Aktenzeichen
V/50/MGI - 86 2998
Art
Mitteilung zur Kenntnis

Der Bericht der Verwaltung dient zur Kenntnis.


I.       Vor dem Jahre 2003 wurde das für volljährige behinderte Kinder gewährte Kindergeld unmittelbar bei der Berechnung der Leistung als Einkommen angerechnet. Diese Praxis wurde vom Bundessozialgericht als unzulässig erklärt; deshalb wurden die entsprechenden Verfahren beendet und als Einkommen angerechnete Beträge rückwirkend erstattet.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in mehreren, jüngeren Entscheidungen Möglichkeiten der Abzweigung von Kindergeld durch den Soziahilfeträger aufgezeigt. In Abstimmung mit dem Bayerischem Landkreistag und Kommunalen Prüfungsverband hat der Bayerische Städtetag mit Schreiben vom 16.06.2010 über den aktuellen Stand der Rechtsprechung informiert und den Städten empfohlen, in begründeten Fällen Anträge auf Abzweigung von Kindergeld bei den Familienkassen zu stellen. Die Rechtsprechung des BFH wurde auch bei der Änderung der Sozialhilferichtlinien zum 01.07.2010 berücksichtigt.

Auszahlung des Kindergeldes an den Träger der Sozialhilfe ist gemäß § 74 ESTG möglich, wenn der Kindergeldberechtigte regelmäßig keinen Unterhalt oder Unterhalt nur in einer Höhe leistet, der die Höhe des anteiligen Kindergeldes unterschreitet. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Berechtigte

·         mangels Leistungsfähigkeit gegenüber dem Kind nicht unterhaltsverpflichtet ist,

·         mangels Leistungsfähigkeit zu einem geringeren Unterhalt als das anteilige Kindergeld verpflichtet ist,

·         seiner Unterhaltsverpflichtung gar nicht oder mit einem geringen Betrag als das auf das Kind entfallende Kindergeld nachkommt oder

·         dem Kind keinen Unterhalt leistet, seine Unterhaltsverpflichtung aber nicht verletzt, weil er sie durch Gewährung einer angemessenen Ausbildung bereits erfüllt hat und deshalb nicht mehr verpflichtet ist, dem Kind Unterhalt wegen einer Zweitausbildung zu leisten.

Die Abzweigungsanträge werden im Wesentlichen damit begründet, dass die Eltern Ihrer gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nachkommen. Vielmehr wird der gesamte Lebensunterhalt incl. der Kosten der Unterkunft sowie des behinderungsbedingten Mehrbedarfs durch die Leistungen nach Kapitel 3 und 4 des SGB XII abgedeckt. Die Abzweigungsanträge werden auf die Fälle beschränkt, in denen Unterkunftskosten im Rahmen der Leistungsgewährung geltend gemacht werden. Die Kindergeldberechtigten werden über den Antrag auf Kindergeldabzweigung nach § 74 Abs. 1 Satz 4 ESTG informiert. Die Berechtigten haben im Rahmen des Anhörungsverfahrens dann die Möglichkeit sich gegenüber der Familienkasse zu äußern und können dann auch im Zusammenhang mit der Betreuung eines betreuungsbedürftigen schwerbehinderten Kindes tatsächliche finanzielle Aufwendungen nachweisen. Die Familienkasse entscheidet in Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens, ob und in welcher Höhe das Kindergeld abzuzweigen ist.

Die Verwaltung hat bisher die Möglichkeit der Auszahlung des Kindergeldes an den Leistungsträger nicht wahrgenommen bzw. beantragt, da dies unter bestimmten Umständen im Widerspruch mit der Intention des SGB XII stehen kann. Das SGB XII hat die Unterhaltspflicht der Eltern bei Leistungen nach dem Kapitel 4 des SGB XII ausgenommen und auch in der Hilfe zum Lebensunterhalt den pauschalierten Unterhalt in geringer Höhe festgeschrieben, um die Eltern behinderter Kinder zu entlasten.
Die Abzweigung des Kindergeldes kann jedoch nur in den Fällen erfolgen, in denen die Eltern und damit Kindergeldberechtigten keinerlei Unterhalt mehr für Ihre Kinder mehr leisten und die gesamte Finanzierung des Lebensunterhalts beim Sozialhilfeträger liegt. In diesen Fällen ist zusätzliche Entlastung der Kindergeldberechtigten nicht gerechtfertigt und eine Auszahlung des Kindergeldes an die Stelle, die dem Kind Unterhalt gewährt, legitim. Die Stadt Erlangen ist zumindest in Mittelfranken eine der letzten Verwaltungen, die die Möglichkeit der Abzweigung des Kindergeldes noch nicht vollzogen haben.

Die Verwaltung wird nach einem Informationsgespräch mit Vertretern der Lebenshilfe und des Zentrums für Selbstbestimmtes Leben die Anträge auf Kindergeldabzweigung unter Information der Kindergeldberechtigten bei der Familienkasse stellen.