Betreff
Sachstandsbericht kommunales Integrationsprogramm "Die Begleiter"
Vorlage
13-4/013/2010
Aktenzeichen
OBM/13-4/KSJ
Art
Mitteilung zur Kenntnis

Der Bericht der Verwaltung dient zur Kenntnis.


Ausgangslage

 

Am 25. Februar 2010 hat der Erlanger Stadtrat einstimmig das kommunale Integrationsprogramm „Die Begleiter“ beschlossen. Grundlage des Programms war die erfolgreiche Arbeit des Vorgängerprojekts SPUTNIK für deutsche Spätaussiedler aus Russland. Mit dem Beschluss des Erlanger Stadtrats steht das Programm seit Juni 2010 allen Jugendlichen unabhängig von ihrer Herkunft oder Art des Schulbesuches offen.

 

Dies bedeutet einen echten Fortschritt in Richtung Integration. 

 

Das kommunale Integrationsprogramm beruht auf zwei Säulen:

 

  1. Förderunterricht
  2. Vermittlung ehrenamtlicher Bildungspatenschaften

 

FÖRDERUNTERRICHT

 

1                    In Deutschland verlassen jedes Schuljahr 80.000 Kinder die Schule ohne jeglichen Abschluss. Des Weiteren haben viele Schüler mit Hauptschulabschluss enorme Probleme, eine Lehrstelle zu finden. Dabei ist der Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund an Hauptschulen überdurchschnittlich hoch. Im Hinblick auf die demographische Entwicklung in Deutschland ist deshalb eine bessere Qualifizierung der Schulabgänger zwingend geboten, um einerseits dem bevorstehenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken und andererseits die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund nachhaltig zu verbessern.

Auch wenn die Situation in Erlangen weniger dramatisch ist als in vielen deutschen Großstädten, so sind die Grundzüge der aktuellen Lage vergleichbar mit den gesamtdeutschen Entwicklungen. Sowohl die Schulstudie von Frau Seebaß als auch die im Rahmen des Integrationsmonitorings erhobenen Daten zeigen, dass auch in Erlangen gemessen am Bevölkerungsanteil Kinder mit Migrationshintergrund an Hauptschulen überdurchschnittlich stark vertreten sind und bei den Schulabschlüssen meist schlechter abschneiden als ihre „einheimischen“ Mitschüler.

 

(55,3% der Kinder mit Migrationshintergrund, aber nur 24,1% der deutschen Kinder wechseln an die Hauptschule; 22,5% der Kinder mit Migrationshintergrund, aber nur 7,7% der deutschen Kinder bleiben ohne Schulabschluss)

 

2                    Grundidee des Förderunterrichts:

In Absprache mit den jeweiligen Schulleitern wird an zwei Erlanger Mittel- und Realschulen an jeweils zwei Nachmittagen eine mehrsprachige Hausaufgabenbetreuung und Vertiefung des Lernstoffes im Sinne des ergänzenden Lernens und Übens angeboten werden. Dadurch sollen den Kindern eine höhere Chancengleichheit und bessere Integration in unser Schulsystem ermöglicht werden. Nach entsprechender Vorlaufzeit erfolgt je nach individueller Ausgangslage die Weitervermittlung in Bildungspatenschaften.

Der Nachhilfe- und Förderunterricht wird von zweisprachigen Lehrkräften erteilt, die in Zusammenarbeit mit der Teamleitung auch Kontakt zu den Eltern aufnehmen und mit den Kindern und Jugendlichen Förderpläne erarbeiten. Der Unterricht wird vor Ort an der Schule praktiziert und in Zusammenarbeit mit Schulleitung und Kollegium durch Feedbackprozesse laufend optimiert.

 

BILDUNGSPATEN

 

Die Übergänge in Ausbildung und Beruf haben sich stark verändert. Sie sind heute unübersichtlicher, risikoreicher und weniger standardisiert als in der Vergangenheit. Seitens der Betriebe wachsen die Anforderungen an Auszubildende stetig. Die Jugendlichen müssen sich heute angesichts vieler Unvorhersehbarkeiten und Unübersichtlichkeiten sehr viel intensiver orientieren. Hierzu bedarf es gerade bei benachteiligten Jugendlichen oftmals Unterstützung in einem Maß, das seitens der Eltern sowie der Schule und der Berufsberatung nicht geleistet werden kann. Deshalb sind ergänzende Angebote bzw. Ansätze gefragt, die insbesondere eine individuelle Förderung der Jugendlichen ermöglichen (Berufsorientierung, Berufswahl sowie die Bewältigung von Bewerbungssituationen sind höchst individualisierte Prozesse, die sich kaum standardisieren lassen).

Studien zeigen (Kruse, Ehlers 2006), dass gerade für schulschwache und gering qualifizierte Schüler eine Bildungspatenschaft ein geeigneter Ansatz für eine erfolgreiche Integration in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt ist. Dies deckt sich auch mit den im Rahmen des Projektes SPUTNIK gesammelten Erfahrungen.

 

3                    Grundansatz der Bildungspatenschaften:

Ehrenamtliche erwachsene Mentoren (Bildungspaten) begleiten jugendliche Mentees in einer Eins-zu-Eins-Beziehung vor und während des Übergangs von der Schule in den Beruf. Die Paten verstehen sich dabei als Wegbegleiter und Vertrauenspersonen, die ihr reichhaltiges Wissen und ihre Erfahrungen an die Jugendlichen weitergeben. Der informelle Charakter, d.h. die Beziehungsarbeit zwischen den Akteuren steht dabei im Vordergrund. Die Bildungspaten treten in ihrer Arbeit nicht in Konkurrenz zu anderen professionellen Angeboten, sondern stellen eine sinnvolle Ergänzung dar.

Sie sind in Ergänzung zu den hauptamtlichen Kräften an der Schnittstelle Schule/Beruf tätig und gewährleisten eine zeitlich sehr intensive Betreuung und Begleitung, die durch die Beratungsstellen und Schulen nicht geleistet werden kann. Bildungspatenschaften sind ein präventiv wirkendes Angebot und vermeiden aufwändigere und kostspieligere professionelle Maßnahmen.

 

 

Aktueller Sachstand

 

FÖRDERUNTERRICHT

 

Mit Beginn des neuen Schuljahres sind an der Eichendorffschule und der Werner-von-Siemens-Realschule zwei neugebildete Fördergruppen entstanden. Da in etlichen Bereichen zusätzliche Förderungen für 5. und 6. Klassen angeboten werden (z. B. WI.L.D.), konzentriert sich das Angebot nach Absprache mit den beiden Schulleitern auf die Jahrgangsstufen 7 bis 10. Der Förderunterricht findet an beiden Schulen dienstags und donnerstags von 14.00 – 17.00 Uhr statt.

 

In der Eichendorffschule haben sich bisher fast 50 Kinder für den Förderunterricht gemeldet, der Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund liegt bei ca. 80%. In der Werner-von-Siemens-Realschule sind bisher 35 Kinder gemeldet, der Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund liegt ebenfalls bei ca. 80%.

 

BILDUNGSPATEN

 

Seit Beginn des kommunalen Integrationsprogramms konnten 20 Bildungspaten neu hinzu gewonnen werden, so dass derzeit über 25 Bildungspaten verfügt werden kann. Die Ehrenamtlichen wurden in einem Einführungsseminar auf ihre Rolle als Bildungspate vorbereitet, zudem finden monatliche Treffen zum Erfahrungsaustausch und zur Anleitung statt.

Zum aktuellen Zeitpunkt sind bereits 15 Bildungspaten vermittelt, die anderen stehen unmittelbar vor ihrer Vermittlung an einen Jugendlichen in der Übergangsphase zwischen Schule und Beruf. Der Großteil der Jugendlichen besucht die 8. Klasse der Mittelschulen, vereinzelt wurden aber auch Förderschüler, Realschüler sowie Jugendliche, die sich in Maßnahmen (z.B. BVJ) befinden, vermittelt.

Der Anteil der Jugendlichen mit Migrationshintergrund beträgt 90%. 

 

 

 

Ausblick

 

FÖRDERUNTERRICHT

 

Der enorme Zuspruch an beiden Schulen deutet darauf hin, dass der Bedarf für Angebote dieser Art nicht nur an zwei Erlanger Schulen vorhanden ist. Der hohe Anteil von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund bestätigt die bisherigen Erfahrungen, dass gerade diese Gruppe von den Eltern zuhause nicht im gleichen Maße unterstützt werden kann wie viele „einheimische“ Kinder und Jugendliche. Wenn die Ziele der Bildungsoffensive, die einen höheren Anteil von qualifizierenden Abschlüssen bei Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund erreichen will, realisiert werden sollen, sind Angebote dieser Art auch in Zukunft absolut unumgänglich.

 

BILDUNGSPATEN

 

Anhand der Erfahrungen des Vorgängerprojektes kann davon ausgegangen werden, dass sich bei den in Bildungspatenschaften befindlichen Jugendlichen eine deutliche Verbesserung der schulischen Leistungen einstellen wird und sich somit die Chance auf einen erfolgreichen Übergang in Ausbildung stark erhöht. Darüber hinaus wird eine durchweg positive Persönlichkeitsentwicklung zu beobachten sein, insbesondere in Bezug auf persönliche Reifung, Selbständigkeit, Eigeninitiative, Pünktlichkeit und Umgang mit Verbindlichkeiten. Dies alles sind Eigenschaften, die von ausbildenden Betrieben als „Ausbildungsreife“ vorausgesetzt werden. Gerade Jugendliche, in deren familiärem Umfeld derartige Vorbilder fehlen bzw. Jugendliche, die sich in komplexen Problemsituationen befinden, profitieren besonders von der intensiven Betreuung eines Bildungspaten.

Die individuelle Begleitung der Jugendlichen während des Übergangsprozesses führt letztlich zu einer nachhaltigen Verbesserung der Chancengleichheit in Schule und Ausbildung.

 


Anlagen: